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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0190

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ia8 N I O B E.
nen Felsen verändert, ein ewiges Denkmahl Gottlicher Rache ist, dabey aber noch
immer Thränen ssiesen läfe»
ERKLÄRUNG DER FABEL,
Wir haben in der Erklärung über die Fabel vom Amphion gesehen $ wie lieh
dieser Prinz mit Beyhülfe seines Bruders Zethus des Thebanischen Königreiches be-
mächtiget. Einige Jahre darnach riss eine grausame Pestilenz * welche in ganz
Bxotien wütete , alle Kinder des Amphion und der Niobe weg. Gleichwie man
nun alle ausleckenden Seuchen den Einssüssen der Sterne wie auch den durch all-
zugrose Sonnen-Hitze aus der Erde aufgezogenen Dünsten zuschreibet, also ent-
stund daher das Gedichte , Apollo und Diana hätten der Niobe ihre Kinder mit
Pseilen erschoilen. Und weil diese Fürstin etwa mit ihrer Fruchtbarkeit mochte
gros gethan haben, so wurde daher der Umstand ausgesonnen, als ob sie die La-
tona gegen {ich verachtet haben solte , als Welches mit den übrigen Erdichtungen
außer der Masen wohl zusammen traf. Sonst haben auch die geschicktesten Aus-
leger schon vorlängst angemerket, dass die Poeten gemeiniglich den jählingen Tod
der Mannspersonen, zumahl wenn solcher von der Pest verursachet worden, dem
Apollo, und wenn es Weiber sind , der Diana zuschreiben. Die Verwandelung
der Niobe in einen Felsen zeiget verblümter Weise an , dass ihre Betrübniss sie
gleichsam stumm und unbeweglich gemachet; als welches das Kennzeichen eines
besondern Schmerzen ist. Und weil es ihr auch, nach erlittenen Verlud der Ihri-
gen , zu Theben nicht länger gefallen wolte , so begab sie sich auf ihre übrige Le-
benszeit nach Sipylus 6 in ihr Vaterland. Zudem war auch ein Berg gleiches Nah-
mens , und auf demselbigen ein groser Stein , welcher von weiten aussahe 7, als
eine sehr betrübte Frau. Das war schon genug vor die Poeten , daraus zu erden-
ken, dass die in einen Stein verwandelte Niobe durch einen Sturmwind sey dahin
geschlagen worden und dass sie daselbsl ihre Kinder noch beweine. Wir haben
auch aus dem Homerus erzehlet, dass sie neun Tage unbegraben geblieben , die-
weil Apollo alle Inwohner zu Theben in Steine verkehret hatte; und dass sich end-
lich die Gotter selbst die Mühe genommen, sie in die Erde zu scharren. Dieses
will so viel sagen, dass da diese fürstlichen Kinder an der Pest gestorben , sie die
Priester hätten begraben müssen, indem sichs niemand sonst getrauete, ihnen die-
sen lezten Liebes-Dienst zu erweisen, und die Thebaner sich mehr um ihre eigene
Gesundheit bekümmerten, als daß sie das Leidwesen ihrer Konigin etwa hätten
sollen zu Herzen nehmen.

ANMERKUNGEN,
c. Pestilenz,/] Pausanias (*) versichert, daß die Pestilenz „ so viel Redens ist. ^Das Stuck Felfen , Welchem man diesen
des Amphion sein ganzes Haus aufgeraumet. Wobey er noch „ Nahmen giebt , kommt einem gar bald zu Gerichte. Um
erzehlet; dass Zethus wegen des Todes seines Sohnes, den sei- „ nun die Wahrheit zu sagen , so kan man nahe dabey nicht
ne eigene Mutter umgebracht, vor Verdruss gestorben. „ die genngste Ähnlichkeit von einer Frau daran finden : be-
6 Sipylus.] Welche Stadt in der Gegend von Phrygien lag. „ trachtet man sie aber von weiten, so ist es nicht anders, als
7 Von weiten aussähe &c] Diese Erklärung giebt uns „ ob man ein Weibs-Bild vor sich iahe, das Thranen vergiefet
Pausanias (b) an die Hand. „ Eines Tages, saget er, stieg ich „ und hochstens betrübt ist.
„ auf den Berg Sipylus , blos um die Niobe zu sehen , davon
{*) üb. s- M L»b. t,

XLVIL DIE
 
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