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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0220

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LV.

D I E
H OE L L E,
ODER DAS
UNTERIRRDISCHE REICH.
*■
Di quibus Imperium efl animarum, umbraque ßlentes,
Et Chaos ^ cjs P bieget hon, loca nocle ßlentia late:
Sit mihi sas auditaloqui: ßt, numine veßro,
Pandere res altä terra H caligine merfas.
Virg. MndA. C. vs. zG$, Ccqq.
Ich t weit von dem See Avernus ist eine tiefe Hohle, wodurch man
in das Land der Toden kommen kan. Es kan kein Vogel ohne Ge-
fahr seines Lebens dniber weg ssiegen, so eine pestjlenzialische Dunst
steiget aus dem Abgrund hervor. Bey dem Eingange findet sich ein
groser Platz, worauf die Verdrüslichkeiten, die Unruhe, die Krank-
heiten, das Alter, die Furcht, der Hunger, dieArmuth, der Tod, die Arbeit,
die Traurigkeit und die Verzweifelung ihre Wohnung haben. Der Krieg , die
Uneinigkeit und die Furien haben auch ihren Aufenthalt daselbst. Mitten darauf
ist ein alter dicker Ulm-Baum, der seine /Este weit ausstrecket: und unter denen
Blattern flecken die betruglichen Traume verborgen. Man findet auch daselbst
eine grose Anzahl unförmliche Thiere; als die Centauren, die Scyllen, den Bria-
reus mit seinen hundert Armen, die Hydra , welche mit ihren vielen Köpfen ein
abseheuliches Gezische machet, die feuerspeyende Chimsera, die Gorgonen, die
Harpyen, und den Geryon mit seinen drey Leibern.
Wenn man durch die Hohle hindurch ist , so kommt man auf einen dunkeln
Weg, welcher nach den Flus Acheron zu führet Dieses ist ein grundloscs mo-
rastiges und kothiges W'asser welches immer in die Krumme läuft, biss es endlich
sein leimiges Walter in den Cocytus ergieset. Charon ist Herr von beyden An-
furthen und hat auch über den Fluss zu gebiethen. Dieser Gott liehet scheuslich
und unreinlich aus. Sein langer weiser Bart hängt ihm unordentlich über das
Kien herab. Er hat rothe funkelnde Augen , und seine ganze Kleidung bestehet
in einem leichten Uberhange, welcher oben an den Achsein mit einem Knoten
angebunden ist. Ob er wohl alt ist, so ist er doch noch immer stark und frisch
und kan sein Schifgen, womit er die Toden-Schatten über den Acheron, Styx und
Cocytus setzet, gar wohl alleine regieren. Alieine er darf keinen Toden uberfuh-
ren, als der auf Erden ordentlicher Weise ist begraben worden. Diejenigen aber,
so unbegraben geblieben sind, schweifen hundert Jahr lang am Ufer herum; nach
deren Verssiesung sie endlich nach dem andern Ufer, wornach sie so lange verlan-
get, übergebracht werden.
So bald man aus diesem Toden-SchifFe aussteiget, so findet man ein Loch,
durch
 
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