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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0215

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LIV.

ORPHEUS

UND

E U R Y D I C E.
Reflittt-) Eurydicenque fuamjam luce fub ipfä
Immemor5 heu! vi&ufque'animi refpexit: ibiomnis
Effusus labor, atque immitis rupta tyranni
Feeder a.
VirGeorg. 4. vs. 4570. feqq.


Rpheus und Eurydice hatten einander noch nicht lange zur Ehe ge-
habt, als diese Prinzeslin sich einst in Gesellschaft einiger Nymphen
auf dem Lande erlustigte, da denn Aristaeus der lie liebte, sich
unterfieng, sie zu entfuhren. Sie begab sich aber auf die Flucht und
indem sie lief, slach sie eine im Gräse versteckte Schlange in die Ferse,
dass sie sterben muste. Orpheus beweinte erst eine Zeit lang seine werthelte Ge-
mahlin, und hernach suchteer sich den Schmerz über sothanen Verlud mit dem
susen Klange seines Sayten-Spieles zu vertreiben. Er begab sich an die einsamften
Oerterund sang von frühen Morgen an biß zu Sonnen-Untergang von seiner lieben
Eurydice. Da er aber mit seinen Klagen bey den himlischen Gottheiten nichts aus-
richten konte, unterstand er sich , in die tiefiten Abgrunde des Tsenarischen Ge-
burges hinab zu steigen und biss zur dunkeln Wohnung des Pluto hindurch zu
dringen. Als er nun diesen traurigem Oertern näherte, spielte er auf seiner Laute
und sang dazu. Der Cerberus ward von Verwunderung eingenommen und sper-
te seine drey Rachen auf; Ixion stund Hille mit seinem Rade; Sisyphus sezte sich
auf den Stein, welchen er sönst ohne Unterlass fortwelzete , und selbft in der un-
tersten Holle, Tartarus genannt, fanden die Schatten-Bilder Vergnügen an seiner
schonen Music. Endlich gelangte er zu dem Palaste, welchen Pluto und Proser-
pina bewohnten, und als er vor diese Gottheiten kam, sagte er: „ Denket nicht,
Fürchterliche Gottheiten , dass mich ein kühnes Unterrangen in euer Reich ge-
fuhret; nichts als die Liebe hat mir den Weg hieher gebahnet. Ihr kennet ja
ihre Gewalt , indem eben dieselbe euch zusammen verknüpfet hat. "Wenn
doch die heftige Liebes-Hitze, die ihr gegen einander habt, euch wegen meines
Unglückes mitleidig machen konte. Ich habe meine geliebteste Eurydice verloh-
ren, ein betrübter Zufall hat sie mir geraubet, und zwar zu so einer Zeit, da
wir kaum angefangen hatten, unser Gluck zu geniesen. Ey! gebt mir sie doch
wieder, Machtige Gottheiten! Die Schuld, welche sie euch zu bezahlen hat,
„ wird

9)

ANMERKUNGEN.
x, Arktis.] Von dicsem ift in den Anmerkungen über die Fabel vom Proteus ein langes und ein breites geßget worden.
 
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