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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0233

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i6o

LVIII.

S I S Y P H U S.

Autpeth<> aut urges ruiturum, Sifyphe, saxum.
Ovid. Met. 4. vs. 45p.

Isyphüs ist in der Holle zu einer schwehren Arbeit verdammet, die
nimmermehr aufhöret. Die Last 1 eines Felsens, den er aus einen
liehen Berg hinauf zu schieben bemühet ist , drucket ihn zur Erde,
er aber wendet alle seine Leibes-Kräfte an, um solcher geftalt mit
Händen und Füsen hinauf zu klettern. Wenn er nun vermittelst un-
beschreiblicher Muhe fast biss an den Gipfel des Berges gekommen ist , so ftoset
ihn eine unsichtbahre Gewalt wieder zunicke , und dieler ungeheure Stein rollet
immer nach und nach wieder hinunter biss in die Ebene. Er machet sich aber
gleich wieder darbey und fanget seine Arbeit von vorne an. Der Schweiss läust
ihm Stromweise vom ganzen Leibe herunter und mit seinem Kopse treibt er ganze
Wolken von Staub in die Hohe, indem er seinen Felsen gegen den Berg anftöset.
• Allein eine Rache ausübende Gottheit lässet alle seine Arbeit sruchtlos ablausen.
ERKLÄRUNG DER FABEL.
Die Marter des Sisyphus und die Begebenheiten seines Lebens schicken sich so
wenig zusamme , dass man fast glauben muss, dass die Poeten bey dieser Fabel
keine andere Absicht gehabt, als nur die Qvaalen der Verbrecher, die sie in die
Holle gewiesen haben, auf unterschiedene Art vorzuftellen. Einige Scribenten
wollen, dass Sisyphus bey einem Trojanischen Konige Secretarius gewesen , und
auf das härteste gestrafet worden sey, dieweil er Dinge aus dem geheimen Rath
ausgeplaudert. Alleine nach der allerbekantesten Meynung war er ein Konig von
Corinth 1, welcher einen allgemeinen Hass auf sich lud, theils weil er mit seinen
Unterthanen tyrannisch umgieng , theils aber weil er seinen Nachbarn vielmahls
ins Land siel.
1 Nachdem er aber vor den verschlagensten Mann seiner Zeit gehalten wurde,
so wolte Autolycus ein seiner Streisereyen wegen berühmter Fürft, welcher die
Kunst, etwas geschickt wegzunehmen, noch von seinem Vater gelernet hatte,
eines Tages probiren , ob Sisyphus auch Verschlagenheit genug haben würde,
hinter sein Stehlen zu kommen. Er sührte ihm eine Parthey Heerde-Vieh weg
und steckte solches unter seine Heerden. Allein Sisyphus, der felbiges unter dem
Fuse ^zeichnet hatte, erkannte es gar leicht, und damit er sich an dem Autoly-
cus rächen mochte, schändete er desfen Tochter Anticlia \ Man erzehlet, dafs
er fich eben so mit der Tyro feines Bruders, des Salmoneus, Tochter vergangen
ha-
ANMERKUNGEN.
1. Die Last.I Vid. OdysT. Lib. XI. V Anticlia.] Andere sagen, Autolycus habe ander Geschick-
2. Von Corinth.] Jbin Sohn des jEoIus (a); und Vater des hchkeit des Sifyphus fo ein Belieben gefunden , dais er inm feine
Glaucus 0), des Ornytion, des Therfänder, und des Almus. Tochter zur Gemahlin gegeben.
(«) V. Hmmu, Hiad. 6. (*) P*»sam*i, lib. *.
 
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