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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0067

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LEUCOTHOE. 37

ser auch die Schönheit des Apollo s also einnehmen, dass sie ihm den Sieg uberlies,
ohne ihn wegen der gegen sie gebrauchten List im geringsten zu bestrafen.
Clytia , welche die Sonne schon vorher geliebet, wurde über das Gluck ihrer
Mitbuhlerin eyfersüchtig. Sie gab dem Orchamus von dem Liebes-Handel seiner
Tochter Nachricht. Dieser Konig gerieth darüber in eine solche Wuth, dass er so
gleich mit seiner Tochter zur Strafe eilete. Es half der armen Leucothoe nichts,
dass sie die Hände gegen die Sonne aufhub und schrye, dass dieser Gott ihr Ge-
walt angethan habe; ihr unbarmherziger Vater lies sie lebendig in die Erde begra-
ben und befahl einen Hügel von Sand darauf zu machen. Die Sonne zerriss die
Eide durch die Krasfc ihrer Strahlen, um ihrer Geliebten Lusst zu geben , dass sie
Athem schopfen kontc; allein es war zu spät, die Last der Erde hatte sie bereits er-
sticket. Hierauf bemühete sie sich den Corper der Prinzessin durch ihre Wärme
wieder zu beleben, da sie aber sahe, dass das Geschicke sich allen ihren Bemühun-
gen wiedersezte , fiel sie in eine grose Traurigkeit, und besprengete so wohl den
toden Leichnam der Leucothoe als die daranstosende Erde mit Gotter-Wein, Ta-
gende : „ Ich will doch zum wenigsten machen , dass du nach dem Himmel zu
„ slehen sollst". So gleich wurde der Corper durch diesen himmlischen Sasfc
erweichet, fastete von unten herum Wurzeln und oben sties er durch die Erde hin
aus, welche ihn bedeckte, und wurde zu einem Baume, welcher den Weyrauch
traget.
ERKLÄRUNG DER FABEL.
Die Fabel-Gelehrten geben uns mit ihren Erklärungen über die Fabel von der
Leucothoe und über die dazugehörige von der Clytia nicht eben viel Licht. Sie «
sagen, iedoch ohne den geringsten Beweiss, Orchamus habe zum ersten in seinem
Königreiche Weyrauch-Bäume pflanzen lasten , und dieier Baum sey Leucothoe
genennet worden; daher habe man gesagt, dass er der Vater einer Leucothoe ge-
wesen, und dass er seine Tochter habe lebendig in die Erde legen lasten. Dabey ,
geben sie vor , die Erdichtung von der Liebe des Apollo gegen diese Leucothoe
komme daher, dieweil der Weyrauch in der Arzney-Kunst , deren Erfinder diefer
Gott seye, grosen Nutzen schafFe. Solte nun diese Erklärung gegründet seyn , so
müste man gestehen, daß diese Gleichnüste etwas weit wären gesuchet worden.

ANMERKUNGEN.
Sonne ihre verliebte Zusammenkunsst mit dem Gott Mars ent- Der erste {b) und alleraltefte war ein Sohn des Vulcanus. Der
decket und sie beyde den andern Gottern zum Gelachter darge- zweyte war ein Sohn des Corybantes : er wurde auf der Insel
stellet hatte. Greta gebohren, und untersieng (ich, dem Jupiter die Herschafst
3. Des Apollo.] Bald nenne ich den Gott, von welchen über felbige ftreitig zu machen. Der dritte solte ein Sohn des
diese Fabel handelt, die Sonne , bald Apollo , wiewohl manche Jupiter und der Latona feyn. Der vierte war aus Arcadien ge-
Scribenten ihrer 2wey daraus machen. Die unterschiedene Mey- bürtig , und wurde von (einen Landesleuten Nomwt genennet ,
nungen aber kommen daher i. weil man die Sonne unter den denn er war ihr Gefez-geber gewefen , Nomos aber heift in grij-
Nahmen vieler anderer Gottheiten verehret hat ; daher Macro- chifchen das Gefitz. Al'ein , fchreibt Cicero dabey , obgleich
bius (a) fo gar Gelegenheit genommen , zu behaupten , dass die viele Apollo gewefen sind , fo wird doch sonft von keinem mehr
meiften heydnischen Gotter dieses Gestirn bedeuten follen. z. gesprochen als von dem , der ein Sohn des Jupiter und der Lato-
Weil mehr als ein Apollo gewesen ist, Cicero zehlet ihrer viere, na ist,und diefem fchreibt man alle Begebenheiten der übrigen zu,
(«) SMurntt. lib. I. c. 17. 18. 19. 10. it. »». (*) Cic dt Ngt. Bier. lib. %■ c. »*.

XV. DIE
 
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