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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0082

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M E M N O N. 47
Strahlen nicht durchdringen kan. Die in die Luft zerstreuete Asche fand sich
wieder zusamme und bildete einen Corper, welcher Gestalt, Farbe und Leben von
dem Feuer entlehnte; dessen Flüchtigkeit ihm auch Flügel gab. Dieses Ding war
erst nur ein unvollkommnes Bild eines Vogels: es wurde aber gar bald ein rechter
Vogel draus, v/elcher anfieng sich in die Hohe zu schwingcn. Hierauskamen
noch eine unzehlige Menge solcher Vogel aus eben dieser Asche hervor. Sie flo-
gen drcymahl um den Scheiter-Haufen herum und schryen auch zu dreyen mahlen
erbärmlich. Im vierten Kreyse theilten sie sich in zwey Heere , und fochten 2 so
wohl mit den Schnäbeln als mit den Klauen mit solchen Eyfer, dass sie tod wie-
der auf die Asche herabfielen, aus welcher sie entstanden waren ; wodurch sie an-
zeigten , dass sie ihren Ursprung einem sehr tapfern Manne zu danken hätten.
Nach ihm wurden sie auch Memnonides oder Memnons-V'ögel genennet. Sie koirw
men alle Jahre auf denselbigen Platz, halten ihren Kampf und opfern sich einander
der Seele dieses3 Helden zu Ehren blutig auf.
Diese Begebenheit, so wunderbar sie auch ist, hat doch den Nahmen des Tirho-
nischen Sohnes nicht so wohl unterbrich gemacht,. als vielmehr sein Bildnis von
Stein gehauen , welches man auf seinem Grabe aufrichtete. Es war von einem
schwarzen Steine , aus einem Berge in Ethiopien. So bald es früh die Sonnen-
Strahlen berührten, so wars, als wenn es belebet wurde und gab ein liebliches und
wohlklingendes Geleute von sich : so bald sich aber dieses Gestirn zu seinem Un-
tergange neigete , so (eüfzete es gleichsam mit einem traurigen Schalle , nicht an-
ders, als ob es sich über den Abschied des grosen Welt-Lichtes betrübte.
ERKLÄRUNG DER FABEL.
Als Memnon vom Achilles war getodet worden, hielt man ihm ein prächtiges
Leich-Begängniss. Indem man aber den toden Corper verbrandte , geschahe es»
dass ein Zug streichender Vogel über den Scheiter-Haufen gesehen wurde : wel-
ches in den damahligen abergläubischen Zeiten schon genug war , daher zu er-
dichten und auszubreiten , als ob sie aus seiner Asche , hervorgekommen wären.
Und das ist es, was man wahrscheinliches über die fabelhaften Umftände dieser
Historie sagen kan. Bey der Bild-Seule aber ist es schon nicht so ; denn man kan
nicht zweiseln , dieweil wir das Zeugniss so vieler glaubwürdiger 4 Scribenten vor
uns haben, dass nicht eine Seule fast von eben der Art, wie die oben befchriebe-
ne, soile gewesen seyn. Der P. Kircher y schreibet den Laut, so sie von sich ge-
geben , einem darinne verborgenen Kunstweike mit einer Feder zu , an welchen
Sayten befestiget gewesen, die dann durch die Feuchtigkeit der Nacht etwas abge-
laden, durch die Wärme der Sonne hingegen angezogen worden , dass sie sich
rühren mussen , und fast eben so ein Klang daher entstanden , als wie wenn auf
einer Violine eine Sayte springt oder aufgezogen wird.
ANMERKUNGEN.
2. Und sochten.] Wie Cremutius fchreibet , welchen Pli- III. &c. Übrigens liefet man auch , dass Cambyses diefe seule
nius (a) angefuhret hat, fo kamen diese Vogel nur alle fünf Jahre von oben an biis in die Mitten verbrechen laßen , um hinter das
einmahl und hielten fo ein Scharmützel in Egypten nicht weit Geheymnifs zu kommen: fie lies aber dennoch immer denfelbigen
von dem Palafte des Memnon. Klang von fich hören. Dahero Juvenalis (b) faget:
3. Dieses Helden.] Man faget auch dafs an dem Orte, wo
er getodet worden, eine Qvelle entftanden , welche alle Jahre an Dimidio magica resinant übt Memnone chord<e.
eben den Tage, da er fein Leben verlohren , Blut an ftatt des
Waflers gefuhret. Plinius (c) will behaupten , dass sie in den Tempel des Serapis
4. Scribenten.] Uberhaupt kan man wegen der Historie des zu Theben in Egypten geftanden. Einige fuchen fie auf einem
Memnons nachlefen den Strabo (welcher die Wunder-Seule mit Berge unweit Sufa in Periien. Andere aber meynen , fie fey in
feinen Augen gefehen haben will,) Lib. XIII. XV. XVII. Den Ethiopien gewelen ; welches man mit der Erzehlung des Plinius
Plinius Lib. X. cap. 26. und Lib. XXXVI. cap. 7- den Tacitus, gar wohl zufamme bringen kan , indem vor alters Ethiopien und
Lib. II. Annal. den Paufanias, in Phocic. & in Attic. den Suidas. ober-Egypten vor eins genommen worden.
Beyde Philoßratos, den Lucianut, in feinem Lugner. den Tzetzes, 5- Der P. Kircher.] InOedipo , T. II. Wer gelesen hat,
Chiliad. VI. Hift. 64. den guintus Calaber, Lib. II. den Hcßodus, wie Paufanias (d) von dernLaut diefer feule fchreibet,der kandie-
Theog. De» Sictliaver, Diodorus, Lib. IV. den Apollodorusy Lib. ses gelehrten Jefuiten Erklärung um fo viel eher glauben.
(«) Ub. io. sap. 16. (i) Sat. ij. v«. }. {?) Lib. J«. cap. 7. (d) In\Attuit.
U z XX. PYG-
 
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