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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0105

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DER TOD DES HERCULES. 63
Lange Zeit darnach, als Hercules Oechalien bezwungen und eben ein Opser
thun wolte, um sich von einem dem Jupiter gethanen Gelübde loszumachen , er-
fuhr Dejanire, dass ihr Mann in die Iole verliebet sey. Hierüber betrübte sie sich
aufs euserste , und weil sie durch aus nicht leiden konte, dass ihre Mitbuhle-
rin ihren willen haben solte , dachte sie aus Mittel, ihren Gemahl wieder an
sich zu ziehen. Indem sie nun tausenderley Vorfchläge in ihren Kopfe herum
gehen ladet , fallt ihr der Rock des Neslus ein : solchen sendet fie 3 ihrem
Hercules augenblicklich, welcher ihn auch noch anziehet, ehe er zum Opfer
schreiter. Alleine da er kaum einige Korner Weyrauch ins Feuer geworfen ,
und die Opfer-Ceremonien angesangen hatte , wurde der Gist von der Hydra
erwärmet und trat ihm in den ganzen Leib. Er überwände zwar eine Weile
durch seine Herzhaftigkeit den Schmerz, welchen er suhlete: allein endlich be-
meistert ihn der Gift dergeftalt, dass er den Altar verlatfen mufs, und so sehr
schreyet, dass man es in den Wäldern des Berges Oeta uberall hören kan. Er
wolte den unglücklichen Rock ausziehen , er hatte sich aber so sefte an seine
Haut angeleget, dafs er ihn nicht wieder loskriegen konte, ohne fich zugleich
Stucken Fleilch mit auszuzerren, Sein Blut war durch die Stärke des Gistes fo er-
hitzet, dafs es im Herum lausen durch die Adern so ein Gereusche machte, als wie
ein gliiendes Eifen , wenn es in Wasser abgelofchet wird. Das Feuer, welches
seine Eingeweyde verzehrete , trieb einen brennenden Schweiss aus seinen ganzen
Leibe, es machte, dass ihm die Spannadern krachten, und zerfchmolz ihm das
Mark in den Knochen. Er lief auf dem Berge herum wie ein Stier, welcher den
Wurfpfeil noch in fich ftecken hat, womit er verwundet worden. Er wendet
alle feine Kräfte an, den vergifteten Rock herunter zu reiften, und da ihm solches
nicht gelingen will, knirfchet er vor Grimm mit den Zähnen und sanget abfchäu-
lich an zu heulen , reiftet ganze Bäume mit den Wurzeln heraus und erschuttert
die Felfen. Bisweilen höret er ganz aus zu rafen , hebet die Hände gegen den
Himmel aus und rufet feinen Vater um Hülse an. Endlich, da er den innerlichen
Brand nicht mehr ausftehen kan, fället er etliche Bäume auf dem Berge Oeta, fet-
zet davon einen Scheiter-Haufen auf, breitet die Haut des Nemxifchen Löwen
dniber her, und nachdem er dem Philodtetes befohlen, folchen anzuzünden, le-
get er fich selbft darauf, als auf ein Bette und läft fein Haupt auf feiner Keule
ruhen, wobey er so gelaften aus fiehet, als ob er bey einem Freuden-Fefte er Ich e-
nen wäre. Alfo mufte diefer Held , nachdem er so manches Ungeheuer bezwun-
gen und manchen Tyrannen uberwunden , auch noch Brand und Tod beilegen.
Was an ihm war, fo er von seiner Mutter hatte empfangen, das mufte verderben,
das aber, fo er von feinem Vater bekommen, war unfterblich. Da nun d.e
Flammen das, was irdifch an ihm gewefen, verzehret hatten , hohlere ihn Jupiter
auf einen Wagen mit vier Pferden zu fich in den Himmel, und fezte ihn unter die
Gotter.
ERKLÄRUNG DER FABEL.
Nessus, aus welchem die Poeten einen Centaurus gemachet haben , war ein
Ritter und erboth sich, die Deianira hinter fich aufs Pserd zu nehmen , um fie
CoU
ANMERKUNGEN.
%. Sendet sie.] Ovidius, aus welchen diese Erzehlung {Met. ins Meer geworsen, allwo der arme Schelm in eine klippe ver-
o. %r. 10t. /?**.) genommen worden , erzehlet auch , dals als wandelt worden. '
Hercules in seiner grosten Raserey den Lychas, durch welchen 4- Ritter.] Strabo (*) saget, er fey an Schisfer gewe-
Dejanire ihm den Rock gefendet hatte , erblicket, habe er ihn sen, der die Reifenden ubergesetm.
5. Der
(<) Liv. 10,
Qj.
 
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