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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0144

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SALMACIS UND HERMAPHRODITUS. 95
springtihm nach ins WalTer; „ Nun habe ich überwunden, sagt fie, du kann:
„ mir nun nicht mehr entlausen." Hermaphroditus stofet fie von {ich und will
ihren Umarmungen gerne entgehen : sie halt ihn aber alles feines "Wiederstandes
ungeachtet auf und Ichiieft ihn fo feite an fich, als sie nur kan; wobey fie schreyet:
„ O ihr machtigen Gotter , lallet uns doch niemahls von einander getrennet wer-
„ den!" Und fiehe ihre Bitte wurde erhöret; ihre beyderseits Leiber fchmolzen
gleichsäm zufamme , dass aus zweyen nur eine Perfon wurde: nicht anders, als
wie zwey zarte Zweige , welche unter einer Rinde zufamme wachfen und nur
einen einigen Alt ausmachen. Hermaphroditus aber , da er fahe , dafs er halb
Mann, und halb Weib war, ruste aus: „ O mein Vater und Mutter, lallet mir
t„ doch eine Gnade wiederfahren, darum ich euch bitten will. Alle die fo in dieiem
„ WalTer künftig baden werden, mulTen in felbigem , wunfche ich, ihr voriges
„ Gefchlechte mit einem andern vertaufchen!" Mercurius und Venus erhoreten
diefe Bitte und legten dem Brunn diefe Eigenfchast bey, welche ihn auch fehr be-
rühmt gemachet hat.
ERKLÄRUNG DER FABEL.
Der Ruf, worinne der Brunn zu Salmacis ftand, nemlich dafs er die , sb davon
tranken, weibifch machte, hat dem Ovidius Gelegenheit gegeben , die Fabel von
der Nymphe Salmacis und dem Hermaphroditus auszudenken. Nach dem Vor-
geben eines neuein (*) Gelehrten soll ihm diese Eigenfchaft um deswillen feyn zu-
gefchrieben worden , dieweil zwifchen den Mauern , womit er umgeben gewe-
sen , öfters dinge vorgegangen , wobey man keine sonderliche Schaamhaftigkeit
beobachtet. Allein es wird belTer gethan feyn, wenn wir in diefer Sache lieber auf
das Zeugnifs eines Alten bauen, nemlich des Vitruvius (*) welcher uns läget, dals
dieser Brunn in Carien nicht v/eit von Halicarnatfus, nahe bey einem der Venus
und dem Mercurius geweyheten Tempel gewefen und den Urfprung dieser Fabel
dabey folgender Gestalt erzehlet. Melas und Arevanias hatten eine Parthey zu Argos
und Trezena zusamme geworbener Griechen nach Halicarnassus geführet, womit
sie die Barbaren, das ift, die Carier und Leleges die fich Meister davon gemachet
hatten, verjagten, welche sich denn in das Gebürge zogen, von dar sie durch ös-
tere Aussalle ihre Uberwinder gewaltig beunruhigten. Inzwischen kam einer von
den Griechen auf die Gedanken, ob man nicht die dafige schone Qyelle fich befser
zu Nutzen machen konte, und lies nicht weit davon ein gutes Wirths-Haus bauen,
und mit allen, was zu vollkomner Bewirthung der Reilenden dienen konte , ver-
sehen. Da kamen denn die Barbaren in Menge dahin: der Umgang mit den Grie-
chen machte , dass jene sich nach und nach diefer ihre Sitten angewöhnten; und
weil das freundliche Bezeigen der Griechen die Barbaren auch zu artigen Leuten
machte , fo hies es, dieles Walter habe die Kraft, unbändige Leute fitfam zu
machen.
{*) Nemlich dem Uli» Grtgori» GjraUt, Hist. Deor. in Oper. T. I. pag. i8r. Edit. Lugd. (4) Lib. 2. c. 8.

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