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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0150

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CEYX UND HÄLCYONE. 99
derhohlte, was an dem Tage, ihrer Trennung vorgegangen war, und fleh gleich-
sam in Thräncn badete , die Haare aus dem Kopse rifs und ihr Gerichte zerkrazte,
sahe Tie von weiten etwas im Meere schwimmen, welches ihr aus einmahl in die
Augen siel und wie ein toder Leychnam vorkäme. Die Fluth triebe folchen bald
naher an, da sie denn sahe , dass es der Corper ihres Mannes sey. Die Betriibnifs
nahm hierüber in ihr so überhand , dafs sie ins WaiTer hinein fprang , solchen zu
umarmen: da denn die Gotter ihr Elend so zu Herzen nahmen, das fie ihrem Ehe-
liebsten das Leben wiederfchenkten und fie beyderseits in Vogel verwandelten.
Unter diefer neuen Geftalt nun liebten sie einander fo herzinniglich als zuvor, und
verdienten damit , vor ein Sinn-Bild ehelicher Liebe gehalten zu werden. Ja es
fcheinet, als ob die Natur selbst auf ihre Einigkeit Acht habe und saget man da-
her, dafs die sieben Tage über, da Halcyone ihre Eyer in einem fchwimmenden
Nesle ausbrütet ,* ./Eolus feine Winde an Ketten fefte halte , die See ftille und die
Schisfart ruhig und ohne Gefahr sey.
ERKLÄRUNG DER FABEL.
Man hat nicht Ursache, den Grund der Verwandlung des Ceyx und der Hal-
cyone in Vogel , welche nach Gricchifch- und Lateinifcher Sprache Halcyones ge-
nennet werden , anders wo als in der Gleichheit der Nahmen zu fuchen. Das
übrige irt aus der Hiftorie genommen , indem wir aufs den Alten Beweifs genug
haben, dafs Ceyx ein Trachinifcher Konig gewefen, detfen Gemahlin Halcyone
geheifen. Als nun diefer Herr auf einer Reife nach Clarium zu dem Apollonifchen
Orakel Schiff-Bruch litte , flarb Halcyone vor Betrübnifs oder ltürzte fich gar ins
Meer. Zu diefem Konige s flöhe Hercules, als er Tirynthus verlies und fich der
Verfolgung des Eryftheus entziehen wolte. Nach dem Tode des Hercules , ver-
langte Erystheus defTen Kinder in feine Gewalt, daher sie Ceyx, welcher nicht im
stande war, einen Krieg mit ihm zu führen , nach Athen fandte , allwo Thefeus
felbige unter feine Beschirmung nahm.
Übrigens ift der Alten ihr Halcyon kein anderer Vogel, als den heutiges Tages
die Franzosen Martinet-Pecheur , die Teutschen aber den Eys-Vogel nennen. Es
ist ein kleines Thier, welches fich in Seen und Sümpfen auszuhaken pfleget, und
blaulichte mit grün und roth vermengte Federn hat. Diese Beschreibung komt
mit der, fo Plinius6 von dem Halcyon machet, seine dabey angeflickten Wunder-
Dinge ausgenommen, ziemlich überein.

ANMERKUNGEN.
muthig, dass er fich von dem hochsten Gipsel eines Felsens herab get, dafs das Sicilianische Meer diese Zeit über ganz Hille und
stürzte ; allein Apollo hielt ihn in der Lust aus und verwandelte sichcr zu befahren "fey, und dass auch alle andere Meere bey wei-
ihn in einen Sperber oder Falken. ten nicht fo ftürmifch feyen als sonft. Ihre Nefter sind etwas
5. Zu diesem Kon ige &c] v. Paufanias, Lib. I. wunderbahres : Die euserliche Gestalt ift wie ein langlich-runder
6. So Plinius &c] Selbige aber lautet fo (a) : Der Alcyon Ball,der Eingang ift fehr enge, und fie fehen übrigens einem gre-
ist ein wenig gröffer , als ein Spatz oder Sperling. Seine Federn sen Schwämme nicht unähnlich. Man kan diese Nester unmog-
sind meist blau > doch aber mit einigen weisen und sieisch-farbi- lieb mit Hacken, oder andern eifernen Werkzeuge zerhauen, fan-
gen vermenget. Er hat einen langen und dünnen Hals. Man dem man muss sie zerschlagen , wenn man sie von einander ha-
siehet diefe Art Vogel nicht, als nur mitten im Sommer und mit- ben will, nicht anders als den Meer-Schaum , wenn er harte ge-
ten im Winter, wenn die Sonne den längsten und kürzesten Tag worden ist. Man hat auch nicht darhinter kommen können ,
machet: da sliegen fie um ,die Schisfe herum , jedoch bleiben sie wovon fie gemachet sind: iedoch halten einige dasür,dass fie von
nicht gar zu lange , sondern machen sich bald wieder nach ihren Fisch-Gräden zufamme gesetzet seyen , indem fich diefe Vogel
Lochern zu. Sieben Tage vor dem kürzesten Tage bauen fie . mit Fischen nähren , und sich um die FlülTe herum auszuhalten
ihre Nester, und fieben Tage darnach legen sie Eyer und brüten pslegen.
selbige aus. Diese Tage werden Halcyoaides genennet. Man sa-
(r) Liv. 10. C 33.

Bbi XXXVI. DER

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