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Sethe, Kurt [Hrsg.]; Partsch, Josef [Bearb.]
Demotische Urkunden zum ägyptischen Bürgschaftsrechte vorzüglich der Ptolemäerzeit — Leipzig, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.44567#0572

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558

Sethe-Partsch, Demot. Bürgschaftsurkunden.

[XXXII.

langt, daß jener ihm Geld schulde, und der B es bestreitet,
dann werdet ihr (Richter), wenn es sich herausstellt, daß die Ver-
tragsurkunden noch daliegen (soll heißen „bei dem Urkundenhüter
liegen“ = in Geltung sein) und die gesetzten Pfandsteine noch auf-
rechtstehen, doch wohl den bestreitenden als frivolen Leugner er-
achten, wenn aber die Vertragsurkunden und die Steine aufgehoben1)
sind, so werdet ihr ebenso den Kläger ansehen.“ Wir fragen uns
heute, ob hier nur die Anwaltsrede einen naheliegenden Gedanken
übertreibt, ob die attische Praxis entsprechend dem Beweisargu-
ment für den unangefochtenen langen Besitz2 3) auch hier einen
Rechtsschein aus der Urkunde gewann, oder ob wirklich hier
schon das attische Recht dazu vorgeschritten ist, die Urkunde als
Verkörperung der Forderung zu behandeln.8)
Derselbe Gedanke ist in dem Notariatsstil der demotischen
Urkunde schon in der Perserzeit4) in der Abrede nachweisbar, welche
von dem künftigen Beweis mit der Urkunde handelt. Der Schuld-
ner begibt sich des Einwandes der Zahlung, solange die Schuld-
urkunde in der Hand des Gläubigers ist: „Nicht werde ich sagen
können: ich habe dir getan das Recht des Briefes, solange der
Brief in deiner Hand ist.“5 *) So oder ähnlich lauten die Klauseln
in Darlehns Verträgen, Pachtverträgen, Ammenverträgen, Eheverträgen
der Perser- und Ptolemäerzeit. Vgl. oben Sethe Urk. 6 § 26.
In den Bürgschaftsurkunden findet sich die Klausel nur in Urk. 6
und Urk. 22. Warum sie gerade hier und nicht in den anderen
Bürgschaften steht, ist nicht deutlich. Ihre besondere Bedeutung
neben der Klausel „mit Notwendigkeit, ohne Säumen“, die die so-

1) άναιρεΐν ist hier nicht irgendwelche Beseitigung, sondern die einverständ-
liche vor Zeugen erfolgende. Ungültigerklärung (άνα/ρεσ^) über die Urkunde vgl.’
Dem. or. 33, 18 und die Zeitschr. f. d. ges. Handelsr. 70, 478 A. besprochenen Stellen.
2) Vgl. Partsch, Die longi temporis praecscriptio im klass. röm. Rechte S. 121 ff.
3) Vgl. auch Zeitschr. f. Handelsr. 70, 478.
4) Berl. 3110 (a° 457 a. C.) bei Revillout, Notice p. 442 übers. Spiegel-
berg, Demot. Pap. Berlin S. 4, P. Louvre E. 9293 bei Revillout, Notice des pa-
pyrus demotiques archaiques p. 417· Revillout hat die Klausel nicht verstanden
und falsch übersetzt. Vgl. auch den aramäischen P. Sachau 13491 (Übers. Staerk)
(a° 456 a. C.), 1. 19, 20, der eine ähnliche Klausel im Gewände des jüdischen No-
tariatsstiles bringt und die Rückforderung des Schuldscheins ausschließt, „während
diese Urkunde in deiner (Gläubigers) Hand ist“.
5) Revillout, Precis 2, 1239 deutet die Beweisklausel seltsamerweise als Ver¬
zicht des Schuldners auf Zahlungen vor Fälligkeit.
 
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