Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 5.1920/​1921

DOI Artikel:
Frimmel, Theodor von: Bemerkenswerte Bilder aus Wiener Sammlungen
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.52778#0056

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
53

BEMERKENSWERTE BILDER AUS WIENER SAMMLUNGEN.
(Zu den Tafeln XVIII bis XX.)
Einige bedeutende Gemälde, die sich in einer der zahlreichen jungen
Wiener Sammlungen befinden, geben mir zunächst zu folgenden Erörterungen
Anlaß. Anderes aus anderem Besitz folgt nach.
Eines der Bilder fesselt ebensosehr durch seine Darstellung wie durch
die Ausführung und durch seine maltechnischen Eigenschaften. Es wurde
mir im vorigen Jahr ohne jede Bestimmung des Meisters oder der Darstellung
zum Studium vorgelegt. Ebenso „intuitiv“ wie durch begründete Schlüsse
kam ich auf die Benennung Baldassare Peruzzi, die ich nun den Fach-
genossen zur Überprüfung vorlege. Die Darstellung war bald als: Tod
des jüngeren Cato erkannt. Diese Darstellung und die Art der antikisie-
renden Trachten und der Bauten, die so reich und reichlich auf dem Bilde
dargestellt sind, lenken uns auf eine Zeit hin, in welcher die Antike lebhaft
nachwirkte. Des besondern wird an die verschiedenen Perioden der Re-
naissance oder an die Zeit des Klassizismus zu denken sein. Die letztge-
nannte Kunstrichtung ist aus mehreren schwerwiegenden Gründen ausge-
schlossen. Dies wird sich aus dem Folgenden ergeben. Die Kompositions-
weise der Klassizisten häuft niemals in ähnlicher Art wie auf dem Tod des
Cato vor uns die Figuren, betont auch nicht die Architektur so bis ins
einzelne wie hier, sondern befleißte sich durchaus der edlen Einfalt und
stillen Größe, die man damals um 1800 bei einem noch geringen Überblick
über die Denkmäler für den eigentlichen Geist der Antike hielt. Der Klassi-
zismus ist in jeder Beziehung dünner, weniger gehaltvoll als das Bild vor
uns. Daß sich auf dem Gemälde Übermalungen nachweisen lassen, die aus
der Zeit vor dem Eintritt des Klassizismus stammen, sei einstweilen nur
angedeutet. Der Meister des Bildes ist also nicht in der Zeit um 1800 zu
suchen, sondern in einer der Perioden der Renaissance, und zwar, wie man
aus den dargestellten Bauten und Figuren schließen muß, aus der Periode
der Hochrenaissance.
Die Darstellung ist folgendermaßen komponiert: Der Schauplatz, die
Bühne, auf der sich das Trauerspiel des jüngeren Cato dem Abschluß nähert,
ist eine Renaissancehalle in genau symmetrischer Verteilung. Beiderseits ko-
rinthische Säulen, die niedriges Gebälk und einen breiten Fries tragen. Von
der Mitte führt ein monumentales Tor beziehungsweise ein Torweg mit
kassettiertem Tonnengewölbe in einen Hof, durch den man auf einen zweiten
Torweg und endlich ins Freie blickt. Dort wird ein Stück dunkelblauen
Himmels sichtbar, in den ganz fern ein hoher Obelisk hinaufragt bis zum
Augenpunkt der meisterhaft gezeichneten Konstruktion.
Die Halle und der Torweg sind mit rund fünfzig Figuren in gedrängter
Anordnung gefüllt. Auch noch auf einer Galerie im ersten Hof sind Leute
zu bemerken.
Die Hauptfigur ist der sterbende Cato links. Man sieht die klaffende
Wunde durch Brust und Bauch, gegen die er die linke Faust drückt. Die
rechte Hand scheint krampfhaft geballt. Der Selbstmörder windet sich offen-
bar vor Schmerz auf seinem Lager. Mehr gegen die Mitte zu steht vorn ein
Mann in rotem Mantel, wohl ein Arzt, der eine Gebärde macht, als gäbe
1
 
Annotationen