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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 5.1920/​1921

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Frimmel, Theodor von: Gemälde und Kunstblätter in der Beethovenausstellung der Stadt Wien: (Bildnisse Beethovens - Porträte aus seinem Kreis - Die Halmschen Beethovenlocken)
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Frimmel, Theodor von: Bemerkungen zu Peeter van Mol
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https://doi.org/10.11588/diglit.52778#0116

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brachte es Frau Halm als Locke seines berühmten Anverwandten. Sie über-
häufte den Spender mit tiefgefühlten Dankesworten und brüstete sich vor
ihrem ganzen Bekanntenkreise voll Stolz über ihr kostbares Eigentum, den
Neid ihrer Freundinnen damit erweckend.“ Dem Neffen wurde die Sache
aber ungemütlich und er entschloß sich, noch vor der Entdeckung des üblen
Streiches dem Oheim zu beichten, da er überdies in Verkennung der edlen
Eigenschaften Beethovens vermeinte, daß dieser über die Sache lachen werde.
Aber Karl verrechnete sich und sein Geständnis entfesselte ein wütendes
Donnerwetter Beethovens. Der erzürnte Meister ergriff dann Hut und Stock
und eilte zu Halms. Sogleich beim Eintritt rief er: „Sie sind betrogen worden!
Mein Neffe hat Sie mystifiziert. Die Haare sind gar nicht von mir, sondern
von einem Ziegenbock.“ Und sich mit gespreizten Fingern durch die an-
gegrauten Haare fahrend, hielt er der verdutzten Frau seinen Kopf hin mit
den Worten: „Da schneiden Sie... schneiden Sie ab, so viel Sie wollen!“
Frau Halm hätte nun das Büschel „vom Scheitel“ Beethovens abgeschnitten.
Wer die Berichte aufmerksam gelesen hat, kann sich nicht darüber im un-
klaren sein, daß sich starke Unterschiede ergeben. Ohne Zweifel spielen
Gedächtnisfehler in beiden Versionen mit herein. Wie es scheint, waren nicht
nur der Neffe, damals ein Junge in den Flegeljahren, sondern auch Karl
Holz die Schuldigen. Denn der überlustige Holz war stets zu Späßen ge-
neigt. Da übrigens zwei beglaubigte Haarbüschel Beethovens aus Halm-
schem Besitz nachweisbar sind, können wohl einige Züge aus allen Berichten
der Wahrheit nahe kommen. Jedenfalls sind es die beiden Halmschen Be-
richte, die Glauben verdienen, doch sind Gedächtnisfehler anzunehmen.
So gut wie sicher sind also die beiden Halmschen Büschel echt und
ich möchte nur insofern eine Verwechslung annehmen, als das dicke raben-
schwarze Büschel schon am 25. März 1826 und das braune vom „Scheitel“
erst am 26. abgeschnitten worden wäre. Bei der Gemütsart Beethovens ist
es verständlich, daß er die Beleidigung mit den Bockshaaren durch einen
persönlichen Besuch bei Frau Halm wieder gutmachen wollte, und daß er
der beleidigten Frau sein Haupt nochmals hingehalten hat, um eine zweite
Locke abzugeben. Diese wird aber die braune vom Scheitel sein. Wollen
wir hoffen, daß eine mikroskopische Untersuchung eine Verwechslung mit
den Bockshaaren ausschließt.
Die Wiener Beethovenschau hat, neben der außerordentlichen musik-
* geschichtlichen Bedeutung, 'die an dieser Stelle nur angedeutet werden kann,
neben der großen Bedeutung für die Lebensbeschreibung des Meisters, auch
einen unverkennbaren Wert für die Geschichte der Wiener Malerei von etwa
1800 bis 1827, und ich hoffe, daß für Tausende aus der dankenswerten Be-
mühung der Veranstalter eine lang nachwirkende Anregung hervorgehen wird.

BEMERKUNGEN ZU PEETER VAN MOL
In vielen Malergruppen, alt und neu, gibt es künstlerische Chamäleons.
Das sind Künstler, die leicht beeinflußbar waren und die abwechselnd
fremde Einflüsse in ihren Werken erkennen lassen. In der flandrischen Kunst
des 17. Jahrhunderts sind z. B. Petrus van Lint und Peeter van Mol solche
Maler von wechselnder Art. P. v. Lint, nicht selten dem Van Dyck nahe-
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