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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 5.1920/​1921

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Frimmel, Theodor von: Zwei frühe Arbeiten von Nicolas Poussin
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https://doi.org/10.11588/diglit.52778#0132

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ZWEI FRÜHE ARBEITEN VON NICOLAS POUSSIN.
Durch die „Entretiens sur les vies et les oeuvres des plus excellents
peintres“ von Felibien ist man seit lange davon unterrichtet, daß Nicolas
Poussin in seiner Jugend für das französische Schloß Cheverny mehrere
Bacchanale gemalt hat. Der vierte Teil von Felibiens Buch erschien 1685.
Seither sind diese Bilder in Vergessenheit geraten. Sie blieben für die Kunst-
gelehrten unauffindbar und werden in den neuen großen Arbeiten über
Poussin'als verschollene Werke behandelt. Aber sie sind noch erhalten und
befinden sich jetzt im Besitz des Herrn Ingenieurs van Nes in Wien. Wenig-
stens spricht nicht weniger als alles dafür, daß die zwei Bacchanale bei
Van Nes richtige, echte Werke aus Poussins Frühzeit, und zwar daß es ge-
rade die Bacchanale aus Cheverny sind. Die beigegebenen Abbildungen
erleichtern die Betrachtung dieser farbenprächtigen Bilder, zu deren Be-
schreibung und Erläuterung ich noch einiges beifüge.
Beide sind auf dicke Leinwand und auf roten Bolusgrund gemalt, was
den Gewohnheiten Poussins entspricht. Die Freiheit der Behandlung ver-
kündet ursprüngliche Werke und schließt Kopien mit Bestimmtheit aus. Die
Alterserscheinungen entsprechen einer Entstehungszeit im frühen 17. Jahr-
hundert, wie man eine solche voraussetzen müßte, wenn man den jungen
Poussin als Maler annehmen kann, was noch zu erörtern ist. Beide Bilder
scheinen sich nicht viel im Kunsthandel umhergeschoben zu haben, denn
sie sitzen noch auf der alten groben Leinwand und sind noch nicht mit
neuem Stoff unterzogen, nicht gebügelt oder gewalzt. Auf einem der Bac-
chanale steht vorn eine Inventarnummer „8“, auf dem anderen „9“. Diesen
Vermerken entsprechen noch ältere, die auf der Kehrseite groß aufgemalt
sind (weißlich), und zwar die Nummern „’23-“ und „-26-“, in Ziffern-
formen, die wohl noch ins 17. Jahrhundert zu versetzen sind.
Sogleich seien auch die Abmessungen mitgeteilt. Die Bilder sind 115 cm
breit und 86 hoch.
Auf Poussin hin leiten uns stilkritische Untersuchungen. Das eine
Bacchanal mit dem jugendlichen Gott, der von einem Bacchanten auf dem
Rücken getragen wird, läßt so viele Zusammenhänge mit anderen Werken
Poussins erkennen, daß man im Verein mit der kräftigen, satten Färbung,
namentlich des Ultramarinblaus, nahe bei den braungrünen Bäumen mit den
gelblich grüngrauen Lichtern, ferner im Verein mit der guten Anatomie
und der wohlstudierten Modellierung nur auf Poussin schließen kann. Von
den auffallenden Zusammenhängen seien folgende hervorgehoben. Die antiki-
sierende Gruppe der zwei Nymphen links im Mittelgrund wiederholt sich
z. B. nahezu genau auf dem N. Poussin mit Narciss, einem Frühwerk des
Meisters, das in der Dresdner Galerie zu finden ist. Die Nymphe, die
dem Beschauer den Rücken zukehrt, kommt ganz ähnlich so wieder vor auf
dem Bild mit Numa Pompilius bei Egeria (in Chantilly) und auf einem
arkadischen Bild in Liverpool. Über den Nymphen schwebt ein Erot, der
mit nur geringer Veränderung wieder benutzt ist auf dem Parnaß in der
Madrider Galerie. Das Motiv .des Eroten, der in jeder Hand einen Kranz
hält, ist noch überdies wiederholt bei Poussin anzutreffen, besonders auf-
fällig auf dem Bild „Inspiration d’Anacreon“, das jetzt in der Dulvich-Col-
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