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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 5.1920/​1921

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Mestler, Ludwig: Die Ausstellung von architektonischen Handzeichnungen, Theater- und Festdekorationen alter Meister, veranstaltet von der Kupferstichsammlung der österreichischen Nationalbibliothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.52778#0080

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DIE AUSSTELLUNG VON ARCHITEKTONISCHEN HANDZEICHNUNGEN,
THEATER- UND FESTDEKORATIONEN ALTER MEISTER, VERANSTALTET
VON DER KUPFERSTICHSAMMLUNG DER ÖSTERREICHISCHEN
NATIONALBIBLIOTHEK.
Von Architekt Ludwig Mestler.
In unserer Zeit, die so viel Interesse für die Psychologie des Kunst-
schaffens zeigt und der daher Entwürfe, Skizzen, Studien in ihrer Eigen-
schaft als erste sichtbare Äußerungen des künstlerischen Schaffensaktes von
größter Bedeutung sind, wird eine Ausstellung willkommen sein, die Gelegen-
heit zu einem Einblick in die weniger bekannte Arbeitsweise des Baukünst-
lers bietet.
Die Ausstellung architektonischer Handzeichnungen, die einen Über-
blick über die reiche Spezialsammlung gewährt, die neuerdings zu einem
geschlossenen Ganzen vereinigt worden ist, markiert einen Wendepunkt in
der Geschichte der Kupferstichsammlung, welche hiermit zum erstenmal
mit einer Ausstellung vor die Öffentlichkeit tritt und zum Genuß und Stu-
dium ihrer Kunstschätze einladet.
Die Empfangsräume des ehemaligen Palais Erzherzog Friedrich, an sich
sehenswert, bieten in ihrem vornehmen Empire einen Rahmen von unge-
wöhnlicher Pracht für die ausgestellten Kunstblätter.
Die ersten drei Räume sind österreichischen Künstlern gewidmet. Im
kleinen Vorraum ist unter anderem eine graziöse Rokokozeichnung für eine
Wanddekoration des kleinen Redoutensaales bemerkenswert Das Hauptblatt
des nächsten Zimmers ist ein interessanter Entwurf Fischers v. Erlach für
eine Fassade zum Michaelertrakt der Hofburg. Die Cour d’honneur nach
französischem Muster hätte den Abschluß des Kohlmarktes gebildet. Von
dem gleichen Künstler bewundern wir eine prachtvoll hingeworfene Ent-
wurfskizze für einen Altar.
Im anstoßenden Saal fällt vor allem ein bisher unbekannter Entwurf
von Jadot de Ville-Issey, des Wiener Hofarchitekten in den Jahren 1750
bis 1753, für eine Burgfassade gegen den Michaelerplatz auf, eine durchaus
französisch empfundene, sehr bewegte, pavillonartig gegliederte Komposition,
an Sanssouci erinnernd, die sich wirkungsvoll von dem dahinter aufragenden
Reichskanzleitrakt abhebt, der ganz als neutrale Wand behandelt ist; dar-
unter ein Hildebrandscher Entwurf für die Vorstadtseite der Hofburg, dessen
Verwandtschaft mit dem Belvedere unverkennbar ist und im Detail Ähnlich-
keiten mit dem Palais Kinsky in der Herrengasse aufweist (Hermenpilaster).
Hohenberg ist mit zwei großzügigen Plänen zur Ausgestaltung des Glo-
riettehügels, versehen mit allen Requisiten französischer Gartenarchitektur,
vertreten.
Im nächsten Saal: Italiener, wohl die schönsten Blätter der Ausstellung.
In den mit nervöser Energie gezeichneten Entwürfen zur Fassade des Oratorio
di S. Filippo Neri lernen wir die echt barocke Leidenschaftlichkeit Boro-
minis kennen. Von Rainaldi stammt ein Studienblatt zu Sankt Peter, außer-
ordentlich wirkungsvoll die majestätische Kuppel zurGeltung bringend. Gegen-
über hängen drei herrliche Blätter von der Hand Berninis, dieser aus der
Fülle seiner Phantasie anscheinend mühelos spendend. Seine Studien für
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