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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 5.1920/​1921

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Frimmel, Theodor von: Eine auffallende Sehtäuschung
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Von den Wiener Versteigerungen im Spätwinter
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https://doi.org/10.11588/diglit.52778#0136

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ein. Wie jetzt das Bild hängt, muß man sich nahe der Tür aufstellen, welche
die Bilderwand des Mielich durchbricht. Von anderen Standpunkten aus ist
die Täuschung zwingend. Die meisten Betrachter dürften die tatsächlich ge-
sehene mangelhafte Übereinstimmung der beiden Stücke für einen Fehler
in der Zeichnung halten. Und doch gibt das Nachmessen der Degenscheide
dem Zeichner recht und unserem Sehen unrecht. Wir haben es hier ein-
fach mit einem jener vielen Fälle zu tun, in welchen die richtige Beurteilung
einer unterbrochenen geradlinigen Strecke durch schief verlaufende Über-
schneidungen vereitelt wird. Der geradlinige Verlauf der Degenscheide wird
durch die Begrenzungen des Beines schief überschnitten. Was die bekannten
Zöllnerschen Figuren durch Striche in geometrischer Weise dartun, wird
auf dem Mielichschen Gemälde in gemalten Formen deutlich. Fr.

VON DEN WIENER VERSTEIGERUNGEN IM SPÄTWINTER.
Der ehemalige Reichtum Wiens an guten Gemälden war berühmt.
So machen es die alten Quellen sattsam klar. Dieser Reichtum ist auch heute
noch nicht gänzlich vertan, doch läßt sich der heutige Bilderhandel in Wien
mit dem Namen der Auflösung alter Bestände am besten bezeichnen. Durch
das klägliche Sinken unseres Geldwertes sind für die Bedürfnisse des ge-
wöhnlichen Lebens jetzt ungeheuerliche Summen nötig. Alle Leute, denen
früher ihre Wohlhabenheit oder ihr Reichtum gestattete, ererbten Kunst-
besitz festzuhalten oder neuen zu erwerben, müssen nun daran denken, daß
die Ernährung wichtiger ist als die Kunstliebe. Denn all diese Leute sind
jetzt arm geworden, insofern sie auf die Einnahmen in der Höhe derer aus
der Zeit vor dem Kriege angewiesen sind. So werden denn die Bildnisse
der Großeltern, Eltern, alten Tanten und was sonst noch an der Wand hing,
herabgeholt und in die Versteigerungen geschickt, wenn ein günstigerer
Verkauf auf anderem Weg nicht zu erreichen war. Eine Versteigerung jagt
die andere. Staatsamtlich wird im Dorotheum auktioniert, alte und neue
eigentliche Kunsthäuser veranstalten um die Wette große und kleine Feil-
bietungen, bei denen fast jedesmal bemerkenswerte Reste des berühmten
alten Reichtums zum Vorschein kommen. Aus der Galerie Schönborn wurde
verkauft, auch aus anderen ehrwürdigen Sammlungen. Jüngst ist auch der
kostbare Palffysche Kunstbesitz mittels Versteigerung zersplittert worden, und
zwar durch die Firma Glückselig und Wärndorfer, die eine wahre Pracht
von Katalog versendet hat. Die wertvollen Möbel, Bildnereien in Marmor
und Bronze, die Stiche, Teppiche (die sich in dem stilvollen Palffyschen
Palast [Wallnerstraße 6] verteilt fanden, dessen Erbauer 1812 Carl Moreau
gewesen) müssen an dieser Stelle übergangen werden, um einige Zeilen für
die Gemälde zu erübrigen. Es waren Stücke ersten Ranges darunter, von
denen einige im großen Festsaal ausgestellt wurden, und zwar ein Kinder-
bildnis von etwa ein Drittel Lebensgröße so nahe bei Gainsborough, daß
man versucht wird, den berühmten Namen als sichere Benennung hinzu-
stellen. Das Bild wurde mit 750.000 Kronen zugeschlagen.
Ein Werk von Hubert Maurer: Bildnis einer Schauspielerin oder
Sängerin, fälschlich der Adamberger (diese lebte von 1790 bis 1867), lebens-
 
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