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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 5.1920/​1921

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Frimmel, Theodor von: Zwei frühe Arbeiten von Nicolas Poussin
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https://doi.org/10.11588/diglit.52778#0133

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lection hängt. Der Besitzer der zwei Bacchanale, der diese Zusammenhänge
längst herausgefunden hat, erinnerte mich auch daran, daß die Ringergruppe
rechts vorn auf demselben Bacchanal mit Benutzung der antiken Ringer-
gruppe gezeichnet ist. Die Behandlung der Bäume ist ganz so wie auf dem
Poussin: Echo und Narciss im Louvre. (Nebstbei bemerkt, erlauben die vielen
Abbildungen in den neuen Werken über Poussin von O. Orautoff, Walter
Friedländer, E. Magne die nötigen Vergleichungen, ganz abgesehen von
großen Photos und Kohledrucken zum Teil vorzüglicher Art noch aus der
Friedenszeit.)
Die Benennung: N. Poussin dürfte für Bilderkundige keinem Zweifel
unterliegen, die schon davon unterrichtet sind, daß Poussin ebensowenig
als irgendein anderer Künstler mit einemmal zu seinem reifen, abgeklärten
Stil gelangt ist. Die genaue zeitliche Einreihung der Bacchanale ist dagegen
nicht ganz leicht. Von Poussins Jugendzeit ist viel zu wenig Sicheres be-
kannt, als daß man in unserem Fall sogleich mit einer Jahreszahl heraus-
rücken durfte 1594 (beziehungsweise um 1593) in dem Flecken Villiers bei
Les-Andelys geboren, scheint der Künstler seine Jugend in der Heimat ver-
lebt zu haben. Aus Felibiens Entretiens und Belloris Vite erfährt man, daß
der kunstbegabte Jüngling heimlich mit 18 Jahren nach Paris wanderte,
das wäre also etwa 1612, und dort Maler wurde. Von einem Mathematiker
Courtois (der Vorname ist in der Poussinliteratur nicht bekannt) wurde er
offenbar in die malerische Perspektive eingeführt. Bei Courtois lernte er auch
die Stiche Marc-Antons kennen, wodurch allein schon eine Annäherung an
die Antike und an Raffael gegeben war. Überdies scheint Poussin, wie Oran-
toff vermutet, in Paris viele Gipsabgüsse nach römischen Bildwerken kennen-
gelernt zu haben. Unter diesen war sicher auch die Ringergruppe.
In Paris erkrankte der Künstler, der dann zur Erholung in die Heimat
zurückkam und dort etwa ein Jahr lang verblieb. Das dürfte um 1615 ge-
wesen sein. In der Hauptstadt hatte der Künstler einen jungen Adeligen aus
dem Poitou kennengelernt, der ihn auf sein Schloß nahm. Welches Schloß
das war, wird in den Quellen nicht gesagt. V. Advielle hat sich viele Mühe
gegeben, die Örtlichkeit festzustellen. Man findet darüber das Nötige in
Advielles Buch „Recherches sur Nicolas Poussin“ (1902). Ungefähr in den-
selben Lebensabschnitt des Malers fällt die Entstehung von Gemälden mit
Bacchanalen für das Schloß Cheverny, das noch heute, wenngleich in
umgebautem Zustand, bestehen soll. Es liegt unfern (nur etwa 13 km) von
Blois. In der genannten Stadt arbeitete Poussin in seiner Jugend. So erzählt
Felibien mit den Worten: „II y a apparence que ce fut dans ce temps-la
[nämlich in der Jugendzeit] qu’il fit ä Blois dans l’Eglise des Capucins deux
tableaux, qu’on y voit encore, et qu’on connoist bien estre de ses Premiers
ouvrages; et qu’il travailla aussi dans le Chasteau de Chiverny oü il fit
quelques Baccanales.“ Soweit die alte Quelle. Der moderne Forscher Advielle
hat nun im Schloß Cheverny (das doch sicher dasselbe ist wie das Chiverny
des Felibien) festgestellt, daß dort zwar keine Bacchanale von Poussin mehr
erhalten sind, daß aber nach De la Saussaye „Blois et ses environs“ (1873)
einstmals, „autrefois“, eine berühmte „löge“ in Cheverny bestanden habe,
in der man ein Bacchanal von Poussin sehen konnte, aber es sei verschollen.
Man vermutet, daß es schon 1634 gelegentlich eines Umbaues weggekommen
sei. Es ist ziemlich klar, daß Felibien von 1685 die bessere Quelle ist gegen-
 
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