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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 5.1920/​1921

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Frimmel, Theodor von: Besuche Karl Bertuchs in der Wiener Gemäldesammlung des Grafen Anton Lamberg: (ein Beitrag zur Geschichte der Galerie in der Akademie der bildenden Künste)
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https://doi.org/10.11588/diglit.52778#0067

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Die Abendsonne wirft lange Schatten. Dazwischen blitzen die Silberwellen.
Der Hintergrund in ein Goldmeer getaucht. Bild von seltener Schönheit —
Einige schöne Vernets Nebel bey Neapel. Loutherbourg. Sturm. Im Vorder-
grund einige Schiffbrüchige, auf ein Felsenriff gerettet, suchen durch ein Tau
andere zu retten — Rembrandts Frau Herrlicher Charakterkopf — Murillos
Weibliche Figur mit Blumen, männliche Figur mit Früchten [NB. längst dem
Murillo abgesprochen] — Zwei Bettelbuben. Auf der Erde sitzend, und
würfeln auf ihrem Gewand um Eicheln, wovon der eine ein Büschel auf ein
Kopftuch gesteckt hat. Vortreflich — Mehrere kleine Gemälde von Velasquez
[NB. Nicht mehr anerkannt]. Familie von Terborg — Stattl(iche) Versamm-
lung vor dem Hause [NB. wird jetzt Pieter de Hooghe benannt]. Italiener
hat er wenig — meistens Niederländer.“ [Nun geht das Tagebuch auf andere
Dinge über.] — Die Stelle über Lambergs Persönlichkeit sei noch angeführt:
„Der Graf [ein] Mann von 70 Jahren mittlerer Grösse, scharfe bestimmte
ernste Züge, weisse Zopfperrücke sorgfältig in seiner Kleidung.“ [Bildnisse
des Grafen, die zu Bertuchs Angaben ergänzend eintreten, befinden sich im
Besitz der Wiener Akademie. Vor Jahren sah ich in der Sammlung Jurie
eine Zeichnung von Scheffer von Leonhardshoff, die den Grafen Anton Lam-
berg darstellt und deren Züge zur Schilderung Bertuchs passen.]
Der junge Bertuch hatte bei Lamberg jederzeit freien Zutritt. War nicht
gerade trübes Wetter, so konnte er jedesmal die Bilder oder die Vasen zu
Gesicht bekommen. Er besuchte und studierte in Lambergs Gesellschaft die
Belvederegalerre. Dort traf er auch sonst mit dem Grafen zusammen. Der
Verkauf der Lambergschen Vasensammlung an den Kaiser erregt seinen
lebhaften Anteil.
Was uns nun zur Akademie der bildenden Künste in Wien hinführt,
ist der Umstand, daß die Gemälde, die Bertuch bei Lamberg in der Wal-
fischgasse gesehen hat, in der Akademiegalerie wiederzufinden sind. Frei-
lich gewiß nicht alle. Denn ein großer Teil der Lambergschen Sammlung
ist heute versteckt. Die gesamte Lambergsche Gemäldesammlung war 1822
als Erbschaft an die Wiener Akademie gefallen. Man setzte voraus, daß die
Bilder vollzählig ausgestellt werden. In jüngster Zeit ist nun ein etwas
glitschiger Ausweg gefunden worden, um einen Teil der Sammlung zurück-
zuhalten. Man macht die Vorratsbilder für wissenschaftliche Benutzung der
Theorie nach zugänglich, von einem bequemen Überblick über das Vor-
handene ist aber die Besucherschaft, ob Laien, ob Wissende, gänzlich aus-
geschlossen.
Ich bringe diese Angelegenheit wieder in Erinnerung, da man nun
schon seit Jahren vergeblich darauf wartet, die Lambergschen Bilder wieder
vollständig an der Wand zu sehen. Es sind auch unter den Werken von
mittlerer und geringer Kunststufe solche, die fürs Gemäldefach von Wert
sind und die man ungern mißt. Sogar unter den Kopien ist manches, dessen
offenes Vorhandensein für Studienzwecke erwünscht wäre. Die geschicht-
lichen Mitteilungen schließen also mit einem Streiflicht auf die Gegenwart
und überdies mit einer Bitte für die Zukunft: man möge uns die vollstän-
dige Übersicht über die Lambergsche Sammlung nicht länger versagen.
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