Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 5.1920/​1921

DOI Artikel:
Frimmel, Theodor von: Bemerkungen zum Gemälde von Peeter Brueghel: die Advokatenstube
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.52778#0069

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
66

als die sehr schwache im Maximilian-Museum zu Augsburg, desgleichen
besser als eine Kopie aus dem 17. Jahrhundert, die mir vor kurzem im
Wiener Kunsthandel zu Gesicht gekommen ist, doch stehen sie gewiß alle
hinter dem Exemplar bei Dr. Max Strauß in Wien zurück. Dieses Exemplar
stammt aus der Wiener Sammlung Gsell*). Sehr dunkel ist meine Erinnerung
an eine weitere Probe, die vor Jahren beim Wiener Kunsthändler Friedrich
Schwarz zu sehen war. Wäre sie besonders gut gewesen, so hätte ich das
gewiß vermerkt. Genannt werden weiterhin Exemplare in Valenciennes,
Peronne, Königsberg, in einigen Antwerpener Privatsammlungen und bei
Delaroff in Sankt Petersburg**). Van Bastelaer kannte das Bild bei Dr. Max
Strauß nicht, weshalb er zu dem absprechenden Urteil gelangt: „L’auteur
de l’original est inconnu, mais n'a evidemment rien de commun avec
Brueghel —“
Gegen dieses bedingungslose Abweisen des Brueghelschen Ursprungs
lassen sich schwerwiegende Gründe geltend machen. So ist es z. B, so gut
wie sicher, daß schon in der Zeit vor 1616 Jeremias Günther, der Maler
aus rudolfinischem Kreis, das Advokatenbild kopiert hat. In einem Verzeichnis
der Werke des genannten Rudolfiners aus dem Jahr 1616 heißt es nämlich:
„Mehr ein langes stuck mit dem gerichtlichen process, auch nach dem
Prügel copiert; darfür 150 thlr“ (vgl. „Jahrbuch der kunsthistorischen Samm-
lungen d. a. h. Kaiserhauses“ Bd. XV, Regest 11.792). Es liegt gar kein Grund
vor, eine zweite Komposition ähnlicher Art von Brueghel anzunehmen, nach
der Günther gemalt hätte, sondern die alte Urkunde beweist fast glatt, daß
schon in der Zeit vor der Abfassung des Verzeichnisses von 1616 die
Brueghelsche Advokatenstube vorhanden war.
Auf alle Fälle ist also die Günthersche Kopie, die wenig später als
1604 entstanden sein dürfte, noch während der Lebenszeit des jüngeren
Peeter Brueghel (dieser lebte von zirka 1564 bis 1634) gemalt worden. Es
ist nicht wahrscheinlich, daß man ein Bild, das noch ganz neu gewesen
sein müßte, sogleich kopiert hätte. Dagegen ist es wahrscheinlich, daß man
bei Kaiser Rudolf ein Werk des alten P. Brueghel kopieren ließ, das viel-
leicht damals verschenkt oder im Tausch abgegeben wurde. Oder: Kaiser
Rudolf, ein leidenschaftlicher Brueghel-Sammler, konnte das Original nicht
erlangen und ließ es sich wenigstens kopieren von einem seiner Hofmaler.
Jeremias Günther war vom 1. Jänner 1604 bis zum letzten April 1619 kaiser-
licher Hofmaler. Er hat für Rudolf II. auch ein anderes Bild von Brueghel
kopiert, daher das „auch“ in der Urkunde.
Ein Bild dieser Art, wohl eine Kopie nach der Advokatenstube, muß es
wieder gewesen sein, das 1756 in Mecheln versteigert und mit 27 fl. zuge-
schlagen wurde. Es wird verzeichnet als „Een Advocaat in zyn Comptoir
met eenige Pleitdingers, door Pieter Breugel“ (Hoet-Terwesten, Catalog
Bd. III, S. 167, No. 32: „Pleitdingers“ sind Rechtsuchende, Prozessierer,
Klienten).
Daß die Komposition der Advokatenstube auch für Paulus Fürst ge-
stochen ist, sei noch angemerkt. Denn der genannte Nürnberger Verleger
und Kunsthändler gehört mit seiner Tätigkeit noch ins 17. Jahrhundert (nach
*) Dazu Frimmels Lexikon der Wiener Gemäldesammlungen, Bd. II, S. 85.
**) 1898 wurde eine kleine Kopie der Advokatenstube aus der Galerie Foucart in
Valenciennes versteigert („Le journal des arts“ No. 67).
 
Annotationen