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sich nicht in der Wiener Beethovenschau vorfindet, aber aus der Beethoven-
ausstellung in Baden vom Sommer 1820 bei Wien bekannt ist. Jenes Badener
Büschel, es ist das reichlichste, das ich je gesehen habe, stammt eben-
falls aus der Familie Halm. Es gehört jetzt Fräulein Paula Wasserburger
in Baden bei Wien, die es samt notarieller Beglaubigung von Halms über-
kommen hat und von der auch eine Erzählung von der Geschichte der
Locke überliefert wurde. (Dazu die „Badener Zeitung“ vom 21. August 1920.)
Dies doppelte Vorkommen eines Halmschen Büschels könnte Mißtrauen
erwecken. Noch dazu liest man in der alten Literatur eine aufregende Ge-
schichte von der Art und Weise, wie Halms Frau zu einer Locke von Beet-
hovens Haupt gekommen sein soll. Die Sachlage ist also ein wenig ver-
worren, und ich muß ziemlich weit ausholen, um den verwickelten Knoten
zu lösen. Doch mache ich die Arbeit lieber sogleich gründlich (allerdings vor-
läufig noch ohne mikroskopische Untersuchung), da ich doch weiß, wie-
viel Anteil heute Hunderttausende an Beethoven nehmen, an allem, was den
Meister betrifft, auch an seinen Locken. Ich rechne also auf die Geduld
meiner Leser, wenn ich zunächst noch Beethovens Beziehungen zum Ehe-
paar Halm eingehend erörtere, ehe ich die verwickelte Angelegenheit der
zwei Halmlocken behandle.
Beethoven hat sich mit Frau Halm sehr gut gesprochen, schon des-
halb, weil sie als Triererin offenbar ebenso wie der Tonmeister nieder-
deutschen Dialekt redete. Die Überlieferung will, daß hinter den guten Be-
ziehungen auch eine Herzensneigung gesteckt habe. Erinnern wir uns daran,
was alles beim Weitererzählen ähnlicher Geschichten zum Vorschein kommt,
und seien wir vorsichtig. Immerhin scheint eine Zuneigung überhaupt so
oder so zu Frau Halm vorhanden gewesen zu sein, und wir können nach
allem, was über sie und ihren Gatten bekannt ist, das Ehepaar Halm, be-
sonders aber Frau Halm, unter die lieben Freunde des Meisters rechnen.
Wie und wann kamen sie nun mit Beethoven in Berührung? Darüber
klärt uns Anton Halms Lebensgang auf.*)
Halm ist geborener Steiermärker, und zwar kam er in Wies bei Alten-
markt im Marburger Kreis zur Welt als Sohn eines Gastwirtes. Der Ort war
klein und Halm mußte, um das Gymnasium zu besuchen, aus dem Eltern-
hause fort. Er kam nach Graz, wo seine angeborenen Gaben für Musik
mannigfache Pflege fanden Nach Abschluß der Studien im Gymnasium mußte
Halm zum Militär, wo er bis zum Leutnant aufstieg. Als solcher machte er
unter Erzherzog Karl die Feldzüge von 1809 bis 1811 mit. Vermutlich hatte
*) Ich erzähle zum Teil nach bekannten Nachschlagebüchern, wie nach denen
von Schindler, Thayer, C. v. Wurzbach, Nohl, nach den Musiklexika seit Schladebach,
zum Teil nach alten versteckten Berichten in Zeitschriften und nach den kleinen Ver-
öffentlichungen von Th. Bolte über Halm in der Zeitschrift „Der Musiklehrer“ vom
August 1898 und in der illustrierten Monatsschrift »Musikliterarische Blätter« vom
November 1907. Halm hatte jahrzehntelang für Alt-Wien große Bedeutung als Lehrer
des Klavierspieles, noch mehr denn als Tonsetzer. Die Reihe seiner Schüler ist unge-
wöhnlich lang und zählt wahre Größen des Klavierspieles unter sich. Dem Lehrer Halm
hat man es neben Czerny und einigen anderen zu verdanken, daß wir heute über den
Vortrag Beethovenscher Klavierwerke ziemlich gut unterlichtet sind. Unter seinen
Schülern liegt für uns Julius Epstein am nächsten. Amalie Mauthner, Epsteins Gattin,
war gleichfalls Schülerin Halms. Steffen Heller, Adolf Henselt,\Jos. Fischhof, Ant.
Khayle, der ältere Brüll, Anton Ree, Jos. Weidner und gar viele andere wären noch
zu nennen, so männlichen wie weiblichen Geschlechtes.
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sich nicht in der Wiener Beethovenschau vorfindet, aber aus der Beethoven-
ausstellung in Baden vom Sommer 1820 bei Wien bekannt ist. Jenes Badener
Büschel, es ist das reichlichste, das ich je gesehen habe, stammt eben-
falls aus der Familie Halm. Es gehört jetzt Fräulein Paula Wasserburger
in Baden bei Wien, die es samt notarieller Beglaubigung von Halms über-
kommen hat und von der auch eine Erzählung von der Geschichte der
Locke überliefert wurde. (Dazu die „Badener Zeitung“ vom 21. August 1920.)
Dies doppelte Vorkommen eines Halmschen Büschels könnte Mißtrauen
erwecken. Noch dazu liest man in der alten Literatur eine aufregende Ge-
schichte von der Art und Weise, wie Halms Frau zu einer Locke von Beet-
hovens Haupt gekommen sein soll. Die Sachlage ist also ein wenig ver-
worren, und ich muß ziemlich weit ausholen, um den verwickelten Knoten
zu lösen. Doch mache ich die Arbeit lieber sogleich gründlich (allerdings vor-
läufig noch ohne mikroskopische Untersuchung), da ich doch weiß, wie-
viel Anteil heute Hunderttausende an Beethoven nehmen, an allem, was den
Meister betrifft, auch an seinen Locken. Ich rechne also auf die Geduld
meiner Leser, wenn ich zunächst noch Beethovens Beziehungen zum Ehe-
paar Halm eingehend erörtere, ehe ich die verwickelte Angelegenheit der
zwei Halmlocken behandle.
Beethoven hat sich mit Frau Halm sehr gut gesprochen, schon des-
halb, weil sie als Triererin offenbar ebenso wie der Tonmeister nieder-
deutschen Dialekt redete. Die Überlieferung will, daß hinter den guten Be-
ziehungen auch eine Herzensneigung gesteckt habe. Erinnern wir uns daran,
was alles beim Weitererzählen ähnlicher Geschichten zum Vorschein kommt,
und seien wir vorsichtig. Immerhin scheint eine Zuneigung überhaupt so
oder so zu Frau Halm vorhanden gewesen zu sein, und wir können nach
allem, was über sie und ihren Gatten bekannt ist, das Ehepaar Halm, be-
sonders aber Frau Halm, unter die lieben Freunde des Meisters rechnen.
Wie und wann kamen sie nun mit Beethoven in Berührung? Darüber
klärt uns Anton Halms Lebensgang auf.*)
Halm ist geborener Steiermärker, und zwar kam er in Wies bei Alten-
markt im Marburger Kreis zur Welt als Sohn eines Gastwirtes. Der Ort war
klein und Halm mußte, um das Gymnasium zu besuchen, aus dem Eltern-
hause fort. Er kam nach Graz, wo seine angeborenen Gaben für Musik
mannigfache Pflege fanden Nach Abschluß der Studien im Gymnasium mußte
Halm zum Militär, wo er bis zum Leutnant aufstieg. Als solcher machte er
unter Erzherzog Karl die Feldzüge von 1809 bis 1811 mit. Vermutlich hatte
*) Ich erzähle zum Teil nach bekannten Nachschlagebüchern, wie nach denen
von Schindler, Thayer, C. v. Wurzbach, Nohl, nach den Musiklexika seit Schladebach,
zum Teil nach alten versteckten Berichten in Zeitschriften und nach den kleinen Ver-
öffentlichungen von Th. Bolte über Halm in der Zeitschrift „Der Musiklehrer“ vom
August 1898 und in der illustrierten Monatsschrift »Musikliterarische Blätter« vom
November 1907. Halm hatte jahrzehntelang für Alt-Wien große Bedeutung als Lehrer
des Klavierspieles, noch mehr denn als Tonsetzer. Die Reihe seiner Schüler ist unge-
wöhnlich lang und zählt wahre Größen des Klavierspieles unter sich. Dem Lehrer Halm
hat man es neben Czerny und einigen anderen zu verdanken, daß wir heute über den
Vortrag Beethovenscher Klavierwerke ziemlich gut unterlichtet sind. Unter seinen
Schülern liegt für uns Julius Epstein am nächsten. Amalie Mauthner, Epsteins Gattin,
war gleichfalls Schülerin Halms. Steffen Heller, Adolf Henselt,\Jos. Fischhof, Ant.
Khayle, der ältere Brüll, Anton Ree, Jos. Weidner und gar viele andere wären noch
zu nennen, so männlichen wie weiblichen Geschlechtes.
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