nem Bart, aus einem ieuchtend gelben Zelt hervor.
Auf der Spitze des Zeltes war ein hellroter Löwe.
Der Jüngling war gekleidet in einen Rock, der ge-
stickt war mit Fäden von roter Seide und tief auf
den schmalen Teil des Beins fiel. An den Füßen
hatte er Hosen von feiner weißer Steifleinewand;
über den Hosen waren Halbstiefel von schwar-
zem Leder, gefestigt mit goldenen Haken. In der
Hand trug er ein ungefüg schweres dreischnei-
diges Schwert mit goldbeschiagener Scheide
von roter Hirschhaut. Er kam zur Stelle, wo
A.rtur und Owain beim Schachspiel waren, und
begrüßte Owain. Owain ward ob dieser Be-
grüssung verwirrt, aber Artur achtete darauf
nicht mehr als vordepi. Und der Jüngling fragte
Owain: „Ist es nicht gegen deinen Willen, daß die
kaiserlichen Diener deine Raben martern, einige
töten, andere zerreissen? Wenn es gegen deinen
Willen ist, ersuche ihn, es den Dienern zu ver-
bieten." „Herr, verbiete es deinen Leuten", sprach
Owain, „wenn es dir gut dünkt." „Spiel i&in
Spiel", sagte der Kaiser. Der Jüngling kehrte zum
Zelt zurück.
Jenes Spiel war zu Ende, ein anderes ward
angefangen. Als sie beim ersten Zug waren, er-
blickten sie in geringer Entfernung ein gelbge-
flecktes Zelt, groß wie sie nie eins sahen. Auf ihm
war ein Adler und in des Adlers Kopf stak ein
kostbarer Stein. Aus dem Zelt trat ein Jüngling
mit dichtgelbem Haar, schön, artig, angetan mit
schöner Atlasschärpe und einer Goldspange von
der Größe des Mittelfingers eines Kriegers in der
Schärpe auf der rechten Schulter. An den Füßen
waren schöne gelbgeflammte Hosen und Schuhe
von geteilt farbigem Leder, goldgehakt. Der Jüng-
ling war edlen Anstands, schöngesichtig, rot-
wangig mit großen Falkenaugen. In seiner Hand
war eine mächtige gelbgefleckte Lanze mit frisch
geschärfter Spitze. Auf der Lanze trug er eine
entfaltete Fahne.
Wildzornig, schnellen Schritts, kam er zur
Stelle, wo Artur mit Owain Schach spielte. Sie
bemerkten seinen Zorn. Darauf begrüßte er
Owain und erzählte, daß die meisten von Owains
Raben getötet seien. Sofern sie nicht erschlagen,
seien sie verwundet, zerquetscht, nicht Einer
könne die Flügel eine einzige Spanne über den
Boden heben. „Herr, verbiete es deinen Leuten",
sprach Owain. „Spiele, wenn es dir beliebt!"
sagte der Kaiser. Und Owain wandte sich an den
Jüngling: „Geh hin: wo immer du den Kampf am
dichtesten findest, erhebe deine Fahne, und laß
kommen, was kommen mag!"
*' Zur Stelle bin ging der Jüngling, wo der Kampf
gegen die Raben am strengsten geführt wurde und
erhob seine Fahne. Auf diese Tat schwangen alle
Raben sich in die Lüfte, zornig, wild, hochdurch-
geistet, indem sie die Flügel im Winde zusammen-
schiugen und die Ermattung, die auf ihnen war,
abschüttelten. Als sie Tatkraft und Mut wieder
erlangt hatten, stiegen sie hernieder, zornwütig,
frohlockend, im einzigen Schwung, auf die Köpfe
der Leute, die ihnen eben Grimm, Qual, Pein ver-
ursachten. Etliche griffen die Leute bei den
Köpfen an, etliche an den Augen, Ohren, Armen,
und trugen sie in die Lüfte auf. Da gab es in den
Lüften ein mächtiges Getöse vom Schlagen der
Flügel, dem Gekrächz triumfierender Raben. Da
gab es ein anderes mächtigeres Getöse vom Ge-
tön zerrissener und verwundeter Männer, einige
waren erschlagen.
Artur und Owain beim Schachspielen wunder-
ten sich über das Getöse. Als sie aufbliokten kam
ein Ritter auf schwarzbraunem Pferde zu ihnen
herbei. Wunderbar war des Pferdes schwarz-
braune Farbe. Hellrot war des Pferdes rechte
Schulter, helles Gelb war von der Spitze seiner
Beine bis zur Mitte des Hufes. Beide, Ritter und
Pferd, waren ganz gewappnet mit schwerer
fremdländischer Rüstung. Das Kleid des Pferdes
war an der Stirnöffnung von hellrotem Taffet
und von hellgelbem Taffet abwärts. An der
Hüfte trug der Jüngling ein goldgefäßig ein-
schneidiges Schwert in lichtblauer Scheide,
beschlagen mit spanischem Messing. Das
Schwertgehenk war aus dunkelgrünem Leder mit
goldnen Schleifen, einem Elfenbeinhaken und
kohlschwarzer Schnalle. Auf dem Haupte trug
der Ritter einen Goldhelm, besetzt mit kostbaren
Steinen, und auf der Helmspitze war ein flamm-
farbiger Leopard, in dessen Kopf zwei rubinrote
Steine staken. Schrecklichen Anblicks für einen
Krieger war das Leopardenantlitz, weit mehr noch
als das des Ritters, ln der Hand trug er eine blau-
schäftige Lanze, die aber karmosinrot vom Griff
bis zur Spitze war vom Blut der Raben Owains
und ihrem Gefieder.
Der Ritter kam zur Stelle, wo Artur und
Owain beim Schachspielen saßen. Sie bemerkten,
daß er ermattet, gequält und müde war, als er
zu ihnen kam. Der Jüngling begrüßte Artur und
erzählte, daß Owains Raben seine jungen Leute
und Diener erschlügen. Artur schaute auf Owain:
„Verbiete es deinen Raben!" „Herr, spiel dein
Spiel", antwortete Owain. Sie spielten. Der Rit-
ter kehrte in den Kampf zurück, und den Raben
war es nicht mehr als vordem verboten.
Nachdem sie eine Weile spielten, hörten sie
ein mächtiges Getöse, Wehklagen von Männern,
Rabenkrächzen, als sie die Männer in ihrer Stärke
in die Lüfte auftrugen. Nachdem die Raben sie
unter sich zerrissen hatten, ließen sie die Stücke
zur Erde fallen. Während des Getöses sahen sie
einen Ritter .auf lichtgrauem Pferd herankommen.
Des Pferdes linkes Vorderbein war kohlen-
schwarz bis zur Hufmitte, Ritter und Pferd waren
ganz gewappnet mit ungefüg schwerer blauer
Rüstung. Im Ehrenkleid von gelb gesticktem At-
las, dessen Ränder blau waren, kam der Ritter.
Die Schabracke seines Pferdes war kohlen-
schwarz mit hellgelben Rändern. Um die Hüfte
trug der Jüngling ein langes, dreischneidiges,
schweres Schwert. Die Scheide war von rot
ausgeschnittenem Leder, sein Gehenk von frischer
roter Hirschhaut, viele goldene Gleitlinien waren
darauf, eine Schnalle aus Seepferdsknochen mit
kohlenschwarzer Zunge. Auf dem Haupt hatte der
Ritter einen Goldheim, in dem Saphire einge-
schmiedet waren. Auf der Spitze des Helms stand
ein flammfarbiger Löwe mit feuerroter Zunge, die
aus dem Maul über einen Fuß lang hervorging,
ln seinem Kopf staken giftige karmosinrote Augen.
Als der Ritter kam, trug er eine dicke Eschen-
lanze, deren silberbeschlagene. Spitze eben in Blut
getaucht war.
Der Jüngling begrüßte den Kaiser und sprach:
„Bekümmert es dich nicht, Herr, daß deine Edel-
knaben, junge Leute und Söhne der Edlen von
Britannien erschlagen werden und daß es schwer
sein wird, die Insel fortan immer zu verteidigen?"
„Owain", sagte Artur, „verbiete es deinen Raben."
„Spiel dein Spiel, Herr", antwortete Owain.
Sie beendeten das Spiel, begannen ein
andres. Als sie es endeten, hörten sie großes Ge-
töse, Geschrei gewappneter Männer, Rabenkräch-
zen und Flügelschlagen in den Lüften. Sie schleu-
derten die Rüstungen auf den Erdboden herab, in
Stücken Männer und Pferde.
Sie sahen einen Ritter kommen auf einem
Schecken mit hoch erhobenem Kopf. Die linke
Schulter des Pferdes war hellrot, das rechte Bein
von der Brust bis zur Hufhöhle war rein weiß.
Ritter und Pferd waren gewappnet mit gelb ge-
fleckten Waffen, bunt von spanischem Messing.
Er und das Pferd trugen ein Ehrenkleid, zwei-
teilig schwarz und weiß, seine Ränder goldpur-
purn. Ueber dem Kleid trug er ein dreischneidi-
ges, helles goldheftiges Schwert. Das Schwert-
gehenk war gelbe Goldarbeit, mit Haken vom
Auglide des schwarzen Seepferdes, an der Schnalle
war eine gelbgoldne Zunge. Auf dem Haupt hatte
der Ritter einen hellen Helm von gelbem Messing
mit funkelnden Kristallsteinen und auf dem Helm-
kamme war ein Greif, in dessen Kopf ein kostbarer
Stein stak. Er hielt einen Eschenspeer, rundschäf-
tig, meerblau, seine Spitze war fein silbern aus-
gelegt und frisch mit Blut gefärbt.
Grimmig kam der Ritter zu Artur und erzählte,
daß die Raben das Haus des Reiches und die Söhne
der Hauptleute erschlagen hätten und ersuchte
Artur, Owain zu veranlassen, daß er es den Raben
verbiete. Da nahm Artur die goldnen Schach-
figuren auf dem Brett und zerdrückte sie, bis sie
Staub waren. Da befahl Owain dem Fahnen-
träger die Fahne zu senken. Die Fahne wurde
gesenkt und alles war Frieden.
Geschichten
Sophie van Leer
Erwartung
Der Schritt kommt. Ich starre in die Stunden.
Der Schritt geht. Die Stunden bohren schlaflos
meine Augen. Das Dunkel tropft. Die Nacht
blutet. Der See wiegt die Wolken. Wolken strei-
cheln Wellen. Wellen landen das Ufer. In meinen
Händen weint die Zeit. Ich hebe die Stunden der
Sonne entgegen. Der Traum stirbt. Wachen er-
wacht. Das Gebet kniet.
Ich trage den Tag zum Hügel. Der Morgen
kost die Kelche. Stunden werden, wachsen, altern.
Ich gehe in den Mittag ein. Der Himmel beugt
die wölben Wände. Traumträumend zittert
Glockenton in fiiehem Seufzer zur Neige.
Die Sonne küßt den Saum der Erde. Sterne
binden Licht zu Garben. Mond
Dein Schritt.
Mein Herz zermalmt das Blut. Adern trümmern
Wiände. Atem stürmt Gänge, jubelt, schluohzt,
wehtaumelt schwer
in das rollende Meer
Deiner Schritte.
Geburt
Die Kinder liegen in der Heide.
„Mutter stirbt, eh Brüderchen geboren ist."
„Sie dürfen Mutter nicht begraben."
„Dann wird Brüderchen im Sarg geboren."
Ihre Arme klammern das Kreuz
Ihre Blicke schauern über die Erde
Ihr Ohr wühlt Wimmern aus der Tiefe
Sie blößt den Hügel und schaufelt den Sand
Sterne lauschen
Der Mond fließt
Der Sarg gähnt
Der Schrei bebt
Wolken rollen
Sterne weinen
Kränze rascheln
Der Schrei verzittert
Der Sand strömt in das Grab
Der Schrei stirbt
Der Tod gebärt
46
Auf der Spitze des Zeltes war ein hellroter Löwe.
Der Jüngling war gekleidet in einen Rock, der ge-
stickt war mit Fäden von roter Seide und tief auf
den schmalen Teil des Beins fiel. An den Füßen
hatte er Hosen von feiner weißer Steifleinewand;
über den Hosen waren Halbstiefel von schwar-
zem Leder, gefestigt mit goldenen Haken. In der
Hand trug er ein ungefüg schweres dreischnei-
diges Schwert mit goldbeschiagener Scheide
von roter Hirschhaut. Er kam zur Stelle, wo
A.rtur und Owain beim Schachspiel waren, und
begrüßte Owain. Owain ward ob dieser Be-
grüssung verwirrt, aber Artur achtete darauf
nicht mehr als vordepi. Und der Jüngling fragte
Owain: „Ist es nicht gegen deinen Willen, daß die
kaiserlichen Diener deine Raben martern, einige
töten, andere zerreissen? Wenn es gegen deinen
Willen ist, ersuche ihn, es den Dienern zu ver-
bieten." „Herr, verbiete es deinen Leuten", sprach
Owain, „wenn es dir gut dünkt." „Spiel i&in
Spiel", sagte der Kaiser. Der Jüngling kehrte zum
Zelt zurück.
Jenes Spiel war zu Ende, ein anderes ward
angefangen. Als sie beim ersten Zug waren, er-
blickten sie in geringer Entfernung ein gelbge-
flecktes Zelt, groß wie sie nie eins sahen. Auf ihm
war ein Adler und in des Adlers Kopf stak ein
kostbarer Stein. Aus dem Zelt trat ein Jüngling
mit dichtgelbem Haar, schön, artig, angetan mit
schöner Atlasschärpe und einer Goldspange von
der Größe des Mittelfingers eines Kriegers in der
Schärpe auf der rechten Schulter. An den Füßen
waren schöne gelbgeflammte Hosen und Schuhe
von geteilt farbigem Leder, goldgehakt. Der Jüng-
ling war edlen Anstands, schöngesichtig, rot-
wangig mit großen Falkenaugen. In seiner Hand
war eine mächtige gelbgefleckte Lanze mit frisch
geschärfter Spitze. Auf der Lanze trug er eine
entfaltete Fahne.
Wildzornig, schnellen Schritts, kam er zur
Stelle, wo Artur mit Owain Schach spielte. Sie
bemerkten seinen Zorn. Darauf begrüßte er
Owain und erzählte, daß die meisten von Owains
Raben getötet seien. Sofern sie nicht erschlagen,
seien sie verwundet, zerquetscht, nicht Einer
könne die Flügel eine einzige Spanne über den
Boden heben. „Herr, verbiete es deinen Leuten",
sprach Owain. „Spiele, wenn es dir beliebt!"
sagte der Kaiser. Und Owain wandte sich an den
Jüngling: „Geh hin: wo immer du den Kampf am
dichtesten findest, erhebe deine Fahne, und laß
kommen, was kommen mag!"
*' Zur Stelle bin ging der Jüngling, wo der Kampf
gegen die Raben am strengsten geführt wurde und
erhob seine Fahne. Auf diese Tat schwangen alle
Raben sich in die Lüfte, zornig, wild, hochdurch-
geistet, indem sie die Flügel im Winde zusammen-
schiugen und die Ermattung, die auf ihnen war,
abschüttelten. Als sie Tatkraft und Mut wieder
erlangt hatten, stiegen sie hernieder, zornwütig,
frohlockend, im einzigen Schwung, auf die Köpfe
der Leute, die ihnen eben Grimm, Qual, Pein ver-
ursachten. Etliche griffen die Leute bei den
Köpfen an, etliche an den Augen, Ohren, Armen,
und trugen sie in die Lüfte auf. Da gab es in den
Lüften ein mächtiges Getöse vom Schlagen der
Flügel, dem Gekrächz triumfierender Raben. Da
gab es ein anderes mächtigeres Getöse vom Ge-
tön zerrissener und verwundeter Männer, einige
waren erschlagen.
Artur und Owain beim Schachspielen wunder-
ten sich über das Getöse. Als sie aufbliokten kam
ein Ritter auf schwarzbraunem Pferde zu ihnen
herbei. Wunderbar war des Pferdes schwarz-
braune Farbe. Hellrot war des Pferdes rechte
Schulter, helles Gelb war von der Spitze seiner
Beine bis zur Mitte des Hufes. Beide, Ritter und
Pferd, waren ganz gewappnet mit schwerer
fremdländischer Rüstung. Das Kleid des Pferdes
war an der Stirnöffnung von hellrotem Taffet
und von hellgelbem Taffet abwärts. An der
Hüfte trug der Jüngling ein goldgefäßig ein-
schneidiges Schwert in lichtblauer Scheide,
beschlagen mit spanischem Messing. Das
Schwertgehenk war aus dunkelgrünem Leder mit
goldnen Schleifen, einem Elfenbeinhaken und
kohlschwarzer Schnalle. Auf dem Haupte trug
der Ritter einen Goldhelm, besetzt mit kostbaren
Steinen, und auf der Helmspitze war ein flamm-
farbiger Leopard, in dessen Kopf zwei rubinrote
Steine staken. Schrecklichen Anblicks für einen
Krieger war das Leopardenantlitz, weit mehr noch
als das des Ritters, ln der Hand trug er eine blau-
schäftige Lanze, die aber karmosinrot vom Griff
bis zur Spitze war vom Blut der Raben Owains
und ihrem Gefieder.
Der Ritter kam zur Stelle, wo Artur und
Owain beim Schachspielen saßen. Sie bemerkten,
daß er ermattet, gequält und müde war, als er
zu ihnen kam. Der Jüngling begrüßte Artur und
erzählte, daß Owains Raben seine jungen Leute
und Diener erschlügen. Artur schaute auf Owain:
„Verbiete es deinen Raben!" „Herr, spiel dein
Spiel", antwortete Owain. Sie spielten. Der Rit-
ter kehrte in den Kampf zurück, und den Raben
war es nicht mehr als vordem verboten.
Nachdem sie eine Weile spielten, hörten sie
ein mächtiges Getöse, Wehklagen von Männern,
Rabenkrächzen, als sie die Männer in ihrer Stärke
in die Lüfte auftrugen. Nachdem die Raben sie
unter sich zerrissen hatten, ließen sie die Stücke
zur Erde fallen. Während des Getöses sahen sie
einen Ritter .auf lichtgrauem Pferd herankommen.
Des Pferdes linkes Vorderbein war kohlen-
schwarz bis zur Hufmitte, Ritter und Pferd waren
ganz gewappnet mit ungefüg schwerer blauer
Rüstung. Im Ehrenkleid von gelb gesticktem At-
las, dessen Ränder blau waren, kam der Ritter.
Die Schabracke seines Pferdes war kohlen-
schwarz mit hellgelben Rändern. Um die Hüfte
trug der Jüngling ein langes, dreischneidiges,
schweres Schwert. Die Scheide war von rot
ausgeschnittenem Leder, sein Gehenk von frischer
roter Hirschhaut, viele goldene Gleitlinien waren
darauf, eine Schnalle aus Seepferdsknochen mit
kohlenschwarzer Zunge. Auf dem Haupt hatte der
Ritter einen Goldheim, in dem Saphire einge-
schmiedet waren. Auf der Spitze des Helms stand
ein flammfarbiger Löwe mit feuerroter Zunge, die
aus dem Maul über einen Fuß lang hervorging,
ln seinem Kopf staken giftige karmosinrote Augen.
Als der Ritter kam, trug er eine dicke Eschen-
lanze, deren silberbeschlagene. Spitze eben in Blut
getaucht war.
Der Jüngling begrüßte den Kaiser und sprach:
„Bekümmert es dich nicht, Herr, daß deine Edel-
knaben, junge Leute und Söhne der Edlen von
Britannien erschlagen werden und daß es schwer
sein wird, die Insel fortan immer zu verteidigen?"
„Owain", sagte Artur, „verbiete es deinen Raben."
„Spiel dein Spiel, Herr", antwortete Owain.
Sie beendeten das Spiel, begannen ein
andres. Als sie es endeten, hörten sie großes Ge-
töse, Geschrei gewappneter Männer, Rabenkräch-
zen und Flügelschlagen in den Lüften. Sie schleu-
derten die Rüstungen auf den Erdboden herab, in
Stücken Männer und Pferde.
Sie sahen einen Ritter kommen auf einem
Schecken mit hoch erhobenem Kopf. Die linke
Schulter des Pferdes war hellrot, das rechte Bein
von der Brust bis zur Hufhöhle war rein weiß.
Ritter und Pferd waren gewappnet mit gelb ge-
fleckten Waffen, bunt von spanischem Messing.
Er und das Pferd trugen ein Ehrenkleid, zwei-
teilig schwarz und weiß, seine Ränder goldpur-
purn. Ueber dem Kleid trug er ein dreischneidi-
ges, helles goldheftiges Schwert. Das Schwert-
gehenk war gelbe Goldarbeit, mit Haken vom
Auglide des schwarzen Seepferdes, an der Schnalle
war eine gelbgoldne Zunge. Auf dem Haupt hatte
der Ritter einen hellen Helm von gelbem Messing
mit funkelnden Kristallsteinen und auf dem Helm-
kamme war ein Greif, in dessen Kopf ein kostbarer
Stein stak. Er hielt einen Eschenspeer, rundschäf-
tig, meerblau, seine Spitze war fein silbern aus-
gelegt und frisch mit Blut gefärbt.
Grimmig kam der Ritter zu Artur und erzählte,
daß die Raben das Haus des Reiches und die Söhne
der Hauptleute erschlagen hätten und ersuchte
Artur, Owain zu veranlassen, daß er es den Raben
verbiete. Da nahm Artur die goldnen Schach-
figuren auf dem Brett und zerdrückte sie, bis sie
Staub waren. Da befahl Owain dem Fahnen-
träger die Fahne zu senken. Die Fahne wurde
gesenkt und alles war Frieden.
Geschichten
Sophie van Leer
Erwartung
Der Schritt kommt. Ich starre in die Stunden.
Der Schritt geht. Die Stunden bohren schlaflos
meine Augen. Das Dunkel tropft. Die Nacht
blutet. Der See wiegt die Wolken. Wolken strei-
cheln Wellen. Wellen landen das Ufer. In meinen
Händen weint die Zeit. Ich hebe die Stunden der
Sonne entgegen. Der Traum stirbt. Wachen er-
wacht. Das Gebet kniet.
Ich trage den Tag zum Hügel. Der Morgen
kost die Kelche. Stunden werden, wachsen, altern.
Ich gehe in den Mittag ein. Der Himmel beugt
die wölben Wände. Traumträumend zittert
Glockenton in fiiehem Seufzer zur Neige.
Die Sonne küßt den Saum der Erde. Sterne
binden Licht zu Garben. Mond
Dein Schritt.
Mein Herz zermalmt das Blut. Adern trümmern
Wiände. Atem stürmt Gänge, jubelt, schluohzt,
wehtaumelt schwer
in das rollende Meer
Deiner Schritte.
Geburt
Die Kinder liegen in der Heide.
„Mutter stirbt, eh Brüderchen geboren ist."
„Sie dürfen Mutter nicht begraben."
„Dann wird Brüderchen im Sarg geboren."
Ihre Arme klammern das Kreuz
Ihre Blicke schauern über die Erde
Ihr Ohr wühlt Wimmern aus der Tiefe
Sie blößt den Hügel und schaufelt den Sand
Sterne lauschen
Der Mond fließt
Der Sarg gähnt
Der Schrei bebt
Wolken rollen
Sterne weinen
Kränze rascheln
Der Schrei verzittert
Der Sand strömt in das Grab
Der Schrei stirbt
Der Tod gebärt
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