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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 7.1916-1917

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Elftes Heft (Februar 1917)
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Walden, Herwarth: Weib: Komitragödie/ Fün Akfte
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Heynicke, Kurt: Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.37112#0132

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tizen. Das Publikum will das Biid. Das Publikum
will Ihr Fräulein Braut kennen lernen. Glauben
Sie einem alten Fachmann, der es gut mit der
Wissenschaft und mit Ihnen meint.
Mädel:
Das Publikum will Künstlerinnen.
Der Herr der Tagespresse:
Ihr Fräulein Braut verfügt über den gesunden
Menschenverstand. Ihren Verstand in allen
Ehren, Herr Professor, aber Journalisten und
Künstlerinnen wissen, wie es gemacht wird.
Heute liegt es bereits auf der Hand, daß sich
Finne geirrt hat, die Spatzen pfeifen es sozu-
sagen vom Dache
Mädel:
Wie schön er spricht.
Der Gehilfe:
Der Kunstzeichner der Tagespresse wünscht den
Herrn Professor zu sprechen.
Der Herr der Tagespresse:
Ah, Kollege Schulze-Neufeld. Ja, die Tages-
presse arbeitet. Glauben Sie mir, Herr Profes-
sor. Sie hatten noch kaum die Fehler von Linne
heraus, und schon waren wir bereit
Der Zeichner der Tagespresse:
Herr Professor. Guten Morgen, Kollege.
Mädel:
Die Samtjoppe steht Ihnen. Zeichnen Sie mich
nur gleich mit. Nicht wahr August Wilhelm?
Der Marin im Gehrock:
AAeine Verlobte.
Der Zeichner der Tagespresse:
Sehr interessant. Vielleicht stellen wir eine
Gruppe.
Mädel:
Ich setze mich auf Deinen Schoß.
Der Flerr der Tagespresse:
Das gnädige Fräulein ist nämlich Künstlerin aus
New York, Kollege.
Der Zeichner der Tagespresse:
Ich glaube nicht, daß solch eine Aufnahme im
Rahmen unseres Verlags
Der Mann im Gehrock:
Meine Verlobte ist sehr jung.
Mädel:
Vierundzwanzig und nicht aus Dummsdorf. Sie,
Gehilfe, holen Sie Sherry. Hast Du Geld, August
Wilhelm?
Der Herr der Tagespresse:
Wie Sie diese Naivität kleidet, gnädiges Fräu-
lein. Sie werden die Sonne des Humors
in unseres so allgemein verehrten Herrn Profes-
sors Haus bringen.
Mädel:
Machen Sie kein so verliebtes Gesicht, Kleiner,
ran mit dem Sherry, August Wilhelm wartet
nicht länger.
DerZeichner der Tagespresse:
Ich habe heute leider nur wenig Zeit, ich muß
noch sieben Professoren, neun Kommerzienräte
und dreizehn Siebzigjährige für unsern Verlag
zeichnen.
Mädel am Fenster:
Sieh mal, August Wilhelm, da geht Wilhelm.
Der Mann im Gehrock:
Meine Herren, die Arbeit wartet auf mich, viel-
leicht können wir ein anderes Mal
Mädel:
Schick doch die netten Leute nicht weg. Du ver-
dirbst Dein Verhältnis mit der Presse.
Der Herr der Tagespresse:
Unser Beruf, gnädiges Fräulein, ist uns heilig.
Wir erkennen nur wirkliche Werte an.
Der Zeichner der Tagespresse:
Mit Aufbieten unseres ganzen Talentes

Mädel:
Warum Ihr Männer immer feierlich werdet,
wenn man Euch hinter die Krawatte guckt.
Wickeln Sie sich man in ihr Zeitungspapier ein.
Der Herr der Tagespresse:
Vielleicht darf ich zu einer gelegeneren Stunde
Mädel:
Vergessen Sie nicht, daß ich Friedei heiße.
Die Herren der Tagespresse ziehen sich ergebenst
zurück.
Der Mann im Geh rock schweigt.
Mädel:
Nun?
Der Mann im Gehrock:
Du, meine Braut!
Mädel:
Du fängst ja doch zu zanken an. Die Affen
waren mir zu affig.
Der Mann im Gehrock:
Heilig will ich um meine Liebe leiden.
Mädel:
Entloben wir uns. Bei der Feinheit gehe ich zu-
grunde. Ist ja alles Quatsch. Du machst Dich
wichtig, weil sich der tote Mann geirrt hat, und
die machen sich wichtig, weil sie noch nicht
wissen, ob Du Dich geirrt hast. Ich weiß, was
ich weiß. Denn ich habe alle Männer nackt ge-
sehen.
Der Mlann im Gehrock:
Friedei, Du hast Recht.
Mädel:
Aber Du kannst es nicht vertragen, wenn ein
anderer Recht hat.
Der Mlann im Geh rock:
Es ist schwer, Mensch zu sein.
Mädel:
Nachts sind wir gut, aber am Tage sollen wir
schlecht sein. Nein, mein Junge, Dein Gehrock
kann mir nicht imponieren. Ich gehe zu Wel-
heim.
Der Gehilfe:
Ein Schutzmann wünscht den Herrn Professor
zu sprechen.
Mädel:
Mein Wilhelm!
Polizist:
Herr Professor, eine peinliche Angelegenheit
führt mich zu Ihnen. Sie haben eine Person bei
sich aufgenommen, die des Diebstahls bezichtigt
wird.
Mädel:
Wilhelm, was Du für Töne redest!
Polizist:
Das ist die Person. Im Namen des Gesetzes, Sie
sind verhaftet.
Mädel:
Für Dich bin ich auch nur in der Nacht gut.
Polizist:
Benehmen Sie sich anständig, sonst muß ich Sie
wegen Beamtenbeleidung anzeigen.
Der Mann im Gehrock:
Ist es nicht mit Geld gutzumachen?
Mädel:
Mit Geld! Keinen Pfennig gibst Du dem
Halunken. Erst saugen sie einen aus, geben
einem nicht einen Pfennig und wenn man etwas
braucht, stecken sie einen ins Gefängnis. Ihr seid
gemeiner als das Vieh!
Der Mann im Gehrock:
Ich bürge für die Dame, Herr Wachtmeister. Es
muß ein Irrtum vorliegen.
Polizist:
Die Person hat in der Nacht einem Herrn eine
Serviette gestohlen.
Mädel:
Wenn ich doch keinen Bezug habe. Kann man

verlangen, daß ich auf einem nackten Kissen
liege? Ist das Gerechtigkeit?
Der Mann im Gehrock:
Hier sind zehn Mark. Damit dürfte die Sache
erledigt sein.
Polizist:
Das ist Bestechung, Herr Professor. Seien Sie
froh, wenn ich das nicht dienstlich meide. Ich
habe Sie zu verhaften. Kommen Sie, damit ich
nicht Gewalt anzuwenden brauche.
Mädel:
Das ist ungerecht. Gott wird Dich strafen,
Halunke. Ihr nehmt mir, was ihr mir nicht gebt.
Ich schreie es in die ganze Stadt hinaus, meine
Serviette woilt Ihr mir nehmen. Mein ist sie,
denn ich brauche sie, wie ihr mich brauchtet, ihr
alle.
Polizist:
Fort mit Dir.
Ein Schrei klagt die Menschheit an
Fortsetzung foigt

Gedichte

Kurt Heynicke
Einer Mutter

Auf den Feldern des Todes wandelt deine Seele
deines Sohnes Weg ist mit Schmerzen getränkt
deine Tränen weinen die Nacht herein.
Viel sind deine Seufzer
wie die weißen Blumen der Schrapnelle
am Himmel
Mit deinen einsamen Stunden spielen
die Granaten.

Der Tod singt die Welt,
der Tod ist all deine Liebe,
viel Sonne braucht dein graues Haar.
Deine Söhne sind Halme der Welt
gefallen der fremden Sense.
HiMefassen
'Wind aus den Rosengärten
löscht deine Schmerzen aus.
Sonne hat unser Haus aufgetan
weile in meinem glänzenden Zimmer.
Stelle dein Seelchen in die Vase mit hellgrünen
Birken

zage will ich Wächter sein.
Schimmer und Schein ist aile Welt
rot und golden alle Stunden erhellt
fern hergetragen in das Nun.
Weile vor mir.
Morgen verschlingt uns der jegliche Tag.
Heute nachtigallen noch alle Sterne.
Wind aus den Rosen will mit uns reden.
Duftreich entblühn wir uns in den Schoß.

Heb dein Herz ins große Schweigen
Stunden neigen dämmerhaft ihr Abendangesicht.
Hebe deine Augen unerschöpflich in das Licht.
Sterne beben erdenwärts in unsre Brust.

Durch das Tor des Abends sind wir heimgeführt
goldne Wolken haben unsern Schuh geziert
glühend ist ein Rausch zur Welt gestiegen.
Den Weg der Sterne wandeln unsre Schritte nach,
aus gottgepflügter Scholle blüht ein Baum
; ins Licht.
mit tausend Früchten ist sein Laub gesegnet.

Wir sind Korallen, die im Meere träumen.
Wir sind ein Reh, das nachts dem Mond begegnet.
Gedieht
Ich bin vom Meere trunken
meine Seele tönt im Meer.

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