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Zachariae, Theodor
Kleine Schriften zur indischen Philologie, zur vergleichenden Literaturgeschichte, zur vergleichenden Volkskunde — Bonn, Leipzig, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.50105#0316

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302

Ein Gottesurteil.

verklagte den Knecht, der der wahre Sohn des Alten zu sein be-
hauptete, beim König. Weder der Jüngling noch der Knecht ver-
mochten Zeugen beizubringen, und so wurde der Streit vom König
zugunsten des Knechtes entschieden. Da schlug sich König Salomo
ins Mittel, und David legte die Sache in die Hand seines Sohnes
Salomo, damit er entscheide.* 1 Salomo befahl dem Knecht, einen
Arm des Vaters aus dessen Grabe herbeizuholen. Der Knecht ging,
schnitt einen Arm des Alten ab und brachte ihn. Darauf der König
Salomo: ,Lasset euch beide zur Ader, und ein jeder fange sein
Blut in seinem Gefäße auf4. Der König wandte sich an den Knecht
und sprach: ,Tauche den Knochen in dein Blut!4 Er tauchte ihn
ein, aber er veränderte seine Farbe nicht. Dann sprach der König
zu dem Sohne des Alten: ,Tauche auch du den Knochen in dein
Blut!4 Der veränderte sofort seine Farbe, und der König zeigte ihn
dem ganzen Volke. ,Sehet4, sprach er zu ihnen, ,dieses Blut ist
von diesem Knochen hervorgegangen!4 Ganz Israel geriet in Ver-
wunderung.4
Jellinek, Bet-ha-Midrasch IV, S. XIV, bemerkt, daß die in
dieser Erzählung vorliegende Feststellung der Blutsverwandt-
schaft auch im Buch der Frommen (Sefer Chasidim) referiert werde,2 *
und zwar vom Gaon Saadja ben Josef (892 — 942 n. Chr.). Ich
füge hinzu, daß die Erzählung aus dem Sefer Chasidim in das
jüdisch-deutsche Volksbuch Simchath hannefesch, ,Seelenfreude4,
übergegangen ist (Sulzbacher Ausgabe von 1797, Blatt lla). Auch
hier tritt der Gaon Saadja als der scharfsinnige Richter auf. Auf
die Darstellung in dem Buche Simchath hannefesch gründet sich
die Bearbeitung des Gleichnisses, die Abraham M. Tendlau unter
der Überschrift: ,Das ist ein Bein von meinem Bein, und
Fleisch von meinem Fleische4 geliefert hat (Das Buch der Sagen
und Legenden jüdischer Vorzeit, Stuttgart 1842, Nr. XXXII).
In der Erzählungsliteratur begegnen wir noch anderen Mitteln,
die zur Feststellung der Blutsverwandtschaft angewendet werden,
an ähnliche Situationen in den ,Doppelgängergeschichten1, bei denen sichs,
genau wie in der oben analysierten Erzählung, um die Entlarvung eines
Betrügers handelt. Einige von diesen Doppelgängergeschichten habe ich be-
sprochen in der Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 16, 138 ff. Siehe auch
H. Oertel. Journal of the American Oriental Society 26, 186. 312.
1) Vgl. dazu V. Chauvin, Bibliographie des ouvrages Arabes VIII, p. 99
(David corrige par Salomon).
2) Sefer Chasidim Nr. 232 (nach einer Mitteilung von Prof. Wünsche . Das
Buch ist mir nicht zugänglich.
 
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