Ein Dild ans dem Klofterleben Oeſterreichs.
Von
Adalbert Horawitz.
Mit dunkeln Föhren und friſchem Grün des Laubholzes ge—
ſchmückt blickt der breite Kegel des Leopoldsberges hinab auf die
blauen Fluten und weiten Auen des Donauſtromes. Mächtig
und unverſehrt deckte hier vor einem halben Jahrtauſend der
wildreiche Forſt alle die Berge, aus denen das Schloß auf dem
Kahlenberge, die Wartburg Oeſterreichs, ſtolz herausblickte. Von
ihrem Söller hatte der Wind den Schleier der Markgräfin Agnes
entführt und dadurch deren Gemahl Leopold „dem Heiligen“ den
Anlaß zur Gründung von Nivemburga claustralis — Kloſter—
neuburg — gegeben, zu deſſen zweitem Propſte der berühmte Ge—
ſchichtſchreiber Otto von Freiſingen ernannt wurde. Wie bei
allen Klöſtern entwickelte ſich auch hier ſehr bald eine kleine eigen—
artige Welt, Ausgangspunkt einer höheren Kultur. Daß das
Kloſter raſch aufblühte, reichen Beſitz und bedeutenden Wirkungs—
kreis gewann, erklärt ſich unſchwer aus mehreren Gründen. Gewiß
war Begeiſterung für die hohen Aufgaben des Klerus, denen man
durch Schenkungen nützen wollte, vielfach vorhanden, aber auch
Todesangſt, wie Furcht vor der letzten Stunde, die Beſorgnis vor
dem Geheimnisvollen, das unabwendbar nach dem Tode eintreten
werde, wirkten kräftig mit. So manchen wieder hatte ein hartes
Geſchick gebeugt; das Kloſter mit ſeiner Weltabgeſchiedenheit nahm
ihn auf, es barg ihn vor den Blicken der Neugierigen oder
Von
Adalbert Horawitz.
Mit dunkeln Föhren und friſchem Grün des Laubholzes ge—
ſchmückt blickt der breite Kegel des Leopoldsberges hinab auf die
blauen Fluten und weiten Auen des Donauſtromes. Mächtig
und unverſehrt deckte hier vor einem halben Jahrtauſend der
wildreiche Forſt alle die Berge, aus denen das Schloß auf dem
Kahlenberge, die Wartburg Oeſterreichs, ſtolz herausblickte. Von
ihrem Söller hatte der Wind den Schleier der Markgräfin Agnes
entführt und dadurch deren Gemahl Leopold „dem Heiligen“ den
Anlaß zur Gründung von Nivemburga claustralis — Kloſter—
neuburg — gegeben, zu deſſen zweitem Propſte der berühmte Ge—
ſchichtſchreiber Otto von Freiſingen ernannt wurde. Wie bei
allen Klöſtern entwickelte ſich auch hier ſehr bald eine kleine eigen—
artige Welt, Ausgangspunkt einer höheren Kultur. Daß das
Kloſter raſch aufblühte, reichen Beſitz und bedeutenden Wirkungs—
kreis gewann, erklärt ſich unſchwer aus mehreren Gründen. Gewiß
war Begeiſterung für die hohen Aufgaben des Klerus, denen man
durch Schenkungen nützen wollte, vielfach vorhanden, aber auch
Todesangſt, wie Furcht vor der letzten Stunde, die Beſorgnis vor
dem Geheimnisvollen, das unabwendbar nach dem Tode eintreten
werde, wirkten kräftig mit. So manchen wieder hatte ein hartes
Geſchick gebeugt; das Kloſter mit ſeiner Weltabgeſchiedenheit nahm
ihn auf, es barg ihn vor den Blicken der Neugierigen oder