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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 1.1884

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Mitteilungen und Berichte
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Zapf, Ludwig: Aus einem alten Gerichtsbuche: ein Beitrag zur Kulturgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.52613#0485

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Mitteilungen und Beridhte,

Aus einem alten Gerichtsbuche.
Ein Beitrag zur Kulturgeſchichte.

Das Glöcklein, das die Frühmeſſe ausläutete, iſt verklungen. Die Sonne
hat den herbſtlichen Nebel, der auf der Stadt Münchberg und dem Thale lagerte,
beſiegt, ihre Strahlen vergolden mit warmem Lichte die hohen ſpitzen Hänſer—
giebel und dringen in die Gaſſen, ſoweit dies die Enge derſelben jetzt ſchon zu—
läßt. Nur längs der Pulſchnitz zieht ſich noch ein breiter grauer Streifen hin,
und die einzelnen Geſtalten, welche den ſteilen Weg herankommen, der von der
Vorſtadt aus dem „Mühlthürlein“ zuführt — der einzigen Oeffnung der Stadt—
mauer auf der ſüdlichen Seite — tauchen aus dem Dunſte auf, als entſtiegen
ſie dem Fluſſe ſelber. Doch wird es auch in der Tiefe mit jedem Augenblicke
lichter, und der „Mittelmeſſer“ Johann Weinrich, der von dem hochanſteigenden
Pfarrhauſe aus eben einen Blick herabwirft, freut ſich des ſonnigen Bildes, das
vor ihm ausgebreitet liegt, er rückt den Stuhl heran und öffnet das Fenſter
vollends, um die friſche Luft zu atmen und an der fröhlichen Ausſchau ſich zu
ergötzen.

Drüben zieht ſich in dem duftigen Blau des Morgens der „Wald“ hin,
deutlich laſſen ſich die Türme des „roten Schloſſes“ auf dem Waldſtein erkennen,
deſſen Granitmaſſen oben auf der wellenförmig geſchwungenen Gebirgslinie laſten.
Vom Pfarrhofe aus fällt die Stadtmauer jäh ab in die Tiefe. Gerade unten
liegen die vereinzelten Häuſer der Vorſtadt zwiſchen der oberen, den Sparneckern
zugehörigen, und der unteren Mühle. Die Bewohner erſcheinen hie und da vor
den Thüren, durch die „Altung“ waten lärmende Buben, das Treiben des Tages
hat allerorten begonnen. Aus dem Kirchlein auf dem Kreuzberg treten, den
Roſenkranz in der Hand, einzelne Frauen der Vorſtadt, die hier ſchon ein ſtilles
Morgengebet verrichtet, und Bauersleute, die zur Stadt kommen, ſchreiten rüſtig
an den langſam zu Thal Wandelnden vorbei. Neben der Landſtraße, die von

Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte c, 1884. Heft VI. 31
 
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