Mitteilungen und Berichte. D
land die Kunde, daß er am 19. April 1824 in Miſſolunghi geſtorben ſei, ſo
vergaß man die Schattenſeiten ſeines Charakters und die Irrtümer ſeines Lebens
und ſah in ihm nur den großen Dichter. Jetzt erſt beklagte man ſeine Ver—
bannung, ſeine Aechtung durch die öffentliche Meinung um eines Weibes willen,
das wohl die meiſte Schuld an jenen ehelichen Zerwürfniſſen trug, wie ſich ſeit—
her immer deutlicher herausſtellt. Die Macht der Bigotterie und des Vorurteils
verſagte ſeinen Ueberreſten zwar eine Beiſetzung in der Weſtminſter-Abtei und
verbannte dieſelben nach der kleinen Dorfkirche zu Hucknall bei Newſtead Abbey,
kann aber ſeinen Wert als Dichter nicht ſchmälern, und wer weiß, ob er, wie
Filon in ſeiner Geſchichte der engliſchen Litteratur ſagt, ohne jene ſchwere Ent—
täuſchung in ſeiner Ehe der große Dichter geworden wäre, als welcher er nun
vor unſerem Geiſte ſteht? Karl Müller.
Johann Guſtav Droyſen +.
Unter den freundlichen Zuſtimmungserklärungen, welche die Redaktion dieſer
Zeitſchrift nach den erſten Mitteilungen über Ziel und Plan derſelben erhielt,
trug als eines der erſten ein Schreiben jenes Mannes dazu bei, unſeren Mut
zu ſtärken und unſere Hoffnung zu beleben, den wir leider ſchon nach ſo kurzer
Zeit aus der Reihe unſerer Mitarbeiter ſcheiden ſehen mußten, ehe er ſein Ver—
ſprechen wahr machen konnte, durch einen Beitrag das Intereſſe zu bekunden,
das er dieſem Unternehmen entgegenbrachte. Die herzlichen Worte, mit denen
einer der bedeutendſten Geſchichtsſchreiber unſerer Zeit ſeine Sympathie für eine
der Geſamtheit aller gebildeten Kreiſe unſeres Volkes gewidmete hiſtoriſche Zeit—
ſchrift an den Tag legte, waren aber nicht nur eine Bürgſchaft für die Richtig—
keit der Anſchauungen, welche uns bei der Feſtſtellung unſeres Programms ge—
leitet haben, ſie werden uns auch in unſerer ferneren Thätigkeit zum treuen
Feſthalten an unſeren Grundſätzen anſpornen, ſie werden uns ſtets in Erinnerung
bringen, daß unſer redliches Bemiihen von den beſten und berufenſten Lehrern
und Darſtellern der Geſchichte anerkannt und gebilligt wurde. So verbindet ſich
denn mit dem Gefühle der Trauer über den Abſchluß eines ſo arbeits- und
erfolgreichen Lebens nicht nur jene Verehrung, welche jeder Deutſche einem hoch—
verdienten Gelehrten und edeln Patrioten ſchuldet, ſondern auch die beſondere
Dankbarkeit des nachſtrebenden Jüngers, der des erfahrenen Führers und Bahn—
brechers Rat und Zuſpruch entgegennehmen durfte.
Es kann hier nicht unſere Aufgabe ſein, die umfaſſende wiſſenſchaftliche
Leiſtung Droyſens zu würdigen noch den Anteil erſchöpfend zu ſchildern, den
er an dem Ringen der deutſchen Nation nach ſtaatlicher Einigung und Siche—
rung genommen hat, wir möchten nur in wenigen Zügen unſeren Leſern die
Laufbahn und die Wirkſamkeit dieſes Mitbegründers moderner deutſcher Geſchichts—
ſchreibung in Erinnerung bringen, damit ſie mit uns die Bedeutung des Verluſtes,
den dieſelbe durch ſeinen Tod erlitten hat, erkennen. Sein Leben bewegte ſich
in den durch den akademiſchen Beruf gegebenen Grenzen. Er war zu Treptow
in Pommern am 6. Juli 1808 geboren, abſolvierte das Gymnaſium zu Stettin,
betrieb Philologie und Altertumskunde an der Berliner Univerſität, war ſchon
land die Kunde, daß er am 19. April 1824 in Miſſolunghi geſtorben ſei, ſo
vergaß man die Schattenſeiten ſeines Charakters und die Irrtümer ſeines Lebens
und ſah in ihm nur den großen Dichter. Jetzt erſt beklagte man ſeine Ver—
bannung, ſeine Aechtung durch die öffentliche Meinung um eines Weibes willen,
das wohl die meiſte Schuld an jenen ehelichen Zerwürfniſſen trug, wie ſich ſeit—
her immer deutlicher herausſtellt. Die Macht der Bigotterie und des Vorurteils
verſagte ſeinen Ueberreſten zwar eine Beiſetzung in der Weſtminſter-Abtei und
verbannte dieſelben nach der kleinen Dorfkirche zu Hucknall bei Newſtead Abbey,
kann aber ſeinen Wert als Dichter nicht ſchmälern, und wer weiß, ob er, wie
Filon in ſeiner Geſchichte der engliſchen Litteratur ſagt, ohne jene ſchwere Ent—
täuſchung in ſeiner Ehe der große Dichter geworden wäre, als welcher er nun
vor unſerem Geiſte ſteht? Karl Müller.
Johann Guſtav Droyſen +.
Unter den freundlichen Zuſtimmungserklärungen, welche die Redaktion dieſer
Zeitſchrift nach den erſten Mitteilungen über Ziel und Plan derſelben erhielt,
trug als eines der erſten ein Schreiben jenes Mannes dazu bei, unſeren Mut
zu ſtärken und unſere Hoffnung zu beleben, den wir leider ſchon nach ſo kurzer
Zeit aus der Reihe unſerer Mitarbeiter ſcheiden ſehen mußten, ehe er ſein Ver—
ſprechen wahr machen konnte, durch einen Beitrag das Intereſſe zu bekunden,
das er dieſem Unternehmen entgegenbrachte. Die herzlichen Worte, mit denen
einer der bedeutendſten Geſchichtsſchreiber unſerer Zeit ſeine Sympathie für eine
der Geſamtheit aller gebildeten Kreiſe unſeres Volkes gewidmete hiſtoriſche Zeit—
ſchrift an den Tag legte, waren aber nicht nur eine Bürgſchaft für die Richtig—
keit der Anſchauungen, welche uns bei der Feſtſtellung unſeres Programms ge—
leitet haben, ſie werden uns auch in unſerer ferneren Thätigkeit zum treuen
Feſthalten an unſeren Grundſätzen anſpornen, ſie werden uns ſtets in Erinnerung
bringen, daß unſer redliches Bemiihen von den beſten und berufenſten Lehrern
und Darſtellern der Geſchichte anerkannt und gebilligt wurde. So verbindet ſich
denn mit dem Gefühle der Trauer über den Abſchluß eines ſo arbeits- und
erfolgreichen Lebens nicht nur jene Verehrung, welche jeder Deutſche einem hoch—
verdienten Gelehrten und edeln Patrioten ſchuldet, ſondern auch die beſondere
Dankbarkeit des nachſtrebenden Jüngers, der des erfahrenen Führers und Bahn—
brechers Rat und Zuſpruch entgegennehmen durfte.
Es kann hier nicht unſere Aufgabe ſein, die umfaſſende wiſſenſchaftliche
Leiſtung Droyſens zu würdigen noch den Anteil erſchöpfend zu ſchildern, den
er an dem Ringen der deutſchen Nation nach ſtaatlicher Einigung und Siche—
rung genommen hat, wir möchten nur in wenigen Zügen unſeren Leſern die
Laufbahn und die Wirkſamkeit dieſes Mitbegründers moderner deutſcher Geſchichts—
ſchreibung in Erinnerung bringen, damit ſie mit uns die Bedeutung des Verluſtes,
den dieſelbe durch ſeinen Tod erlitten hat, erkennen. Sein Leben bewegte ſich
in den durch den akademiſchen Beruf gegebenen Grenzen. Er war zu Treptow
in Pommern am 6. Juli 1808 geboren, abſolvierte das Gymnaſium zu Stettin,
betrieb Philologie und Altertumskunde an der Berliner Univerſität, war ſchon