Zudwig der Framme.
Von
S. Dümmſer.
Es iſt ohne Zweifel ein Wagnis, einem weiteren Kreiſe von
Geſchichtsfreunden einen Abſchnitt aus jenem Teile der Geſchichte
unſeres Volkes vorzulegen, in welchem nicht nur die Rauheit und
Rohheit des Zeitalters abſchreckend wirkt, ſondern auch das Dunkel
in den Beweggründen der handelnden Perſonen das Verſtändnis
der Dinge ungemein erſchwert. Wenn ich es hiermit dennoch ver—
ſuche, Ereigniſſe, welche mehr als tauſend Jahre hinter uns liegen,
in einer zuſammenfaſſenden Darſtellung den Leſern mitzuteilen,
ſo mag mich das Vorbild eines unſerer begabteſten Dramatiker
entſchuldigen, der in ſeinen „Karolingern“ eben jenen Knotenpunkt
europäiſcher Geſchichte zum Vorwurfe ſich erwählt hat, auf den
auch die folgenden Betrachtungen ſich beziehen ſollen.
Es war im Sommer des Jahres 778, daß Karl dem Großen,
der eben von Roncevalles zurückkehrte, auf einer Pfalz in Poitou
von ſeiner Gemahlin Hildegard Zwillinge geboren wurden, die
er, anknüpfend an das Haus ſeiner merowingiſchen Vorgänger,
Chludwig und Chlothar benannte. Während eines der beiden
Kinder ſchon im erſten Lebensjahre ſtarb, wurde das andere,
Ludwig, im dritten vom Papſte in Rom zum Könige von Aqui—
tanien geſalbt, d. h. der Länder zwiſchen Loire und Garonne,
ſodann in Orleans aus der Wiege auf ein Roß gehoben und
mit Waffen angethan über die Grenze in ſein neues Reich ein—
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte ꝛc., 1884. Heft IV. 16
Von
S. Dümmſer.
Es iſt ohne Zweifel ein Wagnis, einem weiteren Kreiſe von
Geſchichtsfreunden einen Abſchnitt aus jenem Teile der Geſchichte
unſeres Volkes vorzulegen, in welchem nicht nur die Rauheit und
Rohheit des Zeitalters abſchreckend wirkt, ſondern auch das Dunkel
in den Beweggründen der handelnden Perſonen das Verſtändnis
der Dinge ungemein erſchwert. Wenn ich es hiermit dennoch ver—
ſuche, Ereigniſſe, welche mehr als tauſend Jahre hinter uns liegen,
in einer zuſammenfaſſenden Darſtellung den Leſern mitzuteilen,
ſo mag mich das Vorbild eines unſerer begabteſten Dramatiker
entſchuldigen, der in ſeinen „Karolingern“ eben jenen Knotenpunkt
europäiſcher Geſchichte zum Vorwurfe ſich erwählt hat, auf den
auch die folgenden Betrachtungen ſich beziehen ſollen.
Es war im Sommer des Jahres 778, daß Karl dem Großen,
der eben von Roncevalles zurückkehrte, auf einer Pfalz in Poitou
von ſeiner Gemahlin Hildegard Zwillinge geboren wurden, die
er, anknüpfend an das Haus ſeiner merowingiſchen Vorgänger,
Chludwig und Chlothar benannte. Während eines der beiden
Kinder ſchon im erſten Lebensjahre ſtarb, wurde das andere,
Ludwig, im dritten vom Papſte in Rom zum Könige von Aqui—
tanien geſalbt, d. h. der Länder zwiſchen Loire und Garonne,
ſodann in Orleans aus der Wiege auf ein Roß gehoben und
mit Waffen angethan über die Grenze in ſein neues Reich ein—
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte ꝛc., 1884. Heft IV. 16