Mitteilungen und Perithte.
Die Geſchichte als Wiſſenſchaft.
Die Stellung der „Geſchichte“ unter oder zu den „Wiſſenſchaften“ beſchäftigt
immer wieder einzelne Geiſter, obwohl alle Verſuche, welche bis jetzt gemacht
worden ſind, der „Geſchichte“ einen abſchließenden Urteilsſpruch über ihren Rang
und ihre ſyſtemmäßigen Bezüge in der Hierarchie der Wiſſenſchaften einzuräumen,
von keinem beſonderen Erfolge gekrönt geweſen ſind. Die Geſchichtsforſcher und
Geſchichtsſchreiber, wenn auch nicht frei von Sinn und Neigung für Rang,
Titel und Auszeichnungen, die ihrer eigenen Perſon zukamen, haben für den.
Rang ihrer Produktion weniger Feinfühligkeit entwickelt, ſie waren in der Mei—
nung, dieſelbe ſei eine „wiſſenſchaftliche“, ſo ſicher, daß ſie mit ruhigem Ge—
wiſſen und ahnungslos, ſie könnten ſich dadurch einer Anmaßung ſchuldig machen,
die Bezeichnung „Geſchichtswiſſenſchaft“ entweder ſelbſt gebrauchten oder minde—
ſtens von anderen ungeſtört gebrauchen ließen. Nur ab und zu geſchieht es
ihnen, daß ſie mehr oder weniger unſanft aus ihrer vertrauensſeligen Stimmung
durch den Ruf aufgeſchreckt werden: „Die Geſchichte iſt gar keine Wiſſenſchaft!“
Um den Schrecken der Angerufenen einigermaßen zu mildern und die Ver—
zweiflung der Hiſtoriker, wie wir ſie unvorgreiflich nennen wollen, nicht auf den
Gipfelpunkt gelangen zu laſſen, vergißt keiner der Rufenden hinzuzuſetzen: „Be—
ruhigt euch! Die Geſchichte war — richtiger geſagt — bis jetzt keine Wiſſen—
ſchaft, ich weiß es aber ganz genau, wie man ſie dazu machen kann, und will
mich im Intereſſe des Faches gerne dazu herbeilaſſen, die wiſſenſchaftlichen Grund—
lagen der Geſchichte feſtzuſtellen.“ Wenn ein Mann von dem Ernſte und dem
Ideenreichtum eines Buckle dieſe Prätenſion erhebt und zugleich als Reſultat des
umfaſſendſten Studiums den Verſuch einer nach ſeiner Anſicht wiſſenſchaftlich
begründeten Geſchichtsſchreibung vorlegt, welcher eine Fülle der Anregung und
Belehrung bietet, wenn ein Du Bois-Reymond der Kulturgeſchichte eine be—
ſondere Richtung und damit dem Geſchichtsſtudium eine neue Stelle in der
wiſſenſchaftlichen Geſamtbildung zu geben verſucht, indem er ſie zu einer Ge—
ſchichte der Naturwiſſenſchaften und der Entdeckungen einſchränkt, dann kann man
ſich mit ſolchen Erſcheinungen eingehend beſchäftigen, man wird ſie prüfen und
Die Geſchichte als Wiſſenſchaft.
Die Stellung der „Geſchichte“ unter oder zu den „Wiſſenſchaften“ beſchäftigt
immer wieder einzelne Geiſter, obwohl alle Verſuche, welche bis jetzt gemacht
worden ſind, der „Geſchichte“ einen abſchließenden Urteilsſpruch über ihren Rang
und ihre ſyſtemmäßigen Bezüge in der Hierarchie der Wiſſenſchaften einzuräumen,
von keinem beſonderen Erfolge gekrönt geweſen ſind. Die Geſchichtsforſcher und
Geſchichtsſchreiber, wenn auch nicht frei von Sinn und Neigung für Rang,
Titel und Auszeichnungen, die ihrer eigenen Perſon zukamen, haben für den.
Rang ihrer Produktion weniger Feinfühligkeit entwickelt, ſie waren in der Mei—
nung, dieſelbe ſei eine „wiſſenſchaftliche“, ſo ſicher, daß ſie mit ruhigem Ge—
wiſſen und ahnungslos, ſie könnten ſich dadurch einer Anmaßung ſchuldig machen,
die Bezeichnung „Geſchichtswiſſenſchaft“ entweder ſelbſt gebrauchten oder minde—
ſtens von anderen ungeſtört gebrauchen ließen. Nur ab und zu geſchieht es
ihnen, daß ſie mehr oder weniger unſanft aus ihrer vertrauensſeligen Stimmung
durch den Ruf aufgeſchreckt werden: „Die Geſchichte iſt gar keine Wiſſenſchaft!“
Um den Schrecken der Angerufenen einigermaßen zu mildern und die Ver—
zweiflung der Hiſtoriker, wie wir ſie unvorgreiflich nennen wollen, nicht auf den
Gipfelpunkt gelangen zu laſſen, vergißt keiner der Rufenden hinzuzuſetzen: „Be—
ruhigt euch! Die Geſchichte war — richtiger geſagt — bis jetzt keine Wiſſen—
ſchaft, ich weiß es aber ganz genau, wie man ſie dazu machen kann, und will
mich im Intereſſe des Faches gerne dazu herbeilaſſen, die wiſſenſchaftlichen Grund—
lagen der Geſchichte feſtzuſtellen.“ Wenn ein Mann von dem Ernſte und dem
Ideenreichtum eines Buckle dieſe Prätenſion erhebt und zugleich als Reſultat des
umfaſſendſten Studiums den Verſuch einer nach ſeiner Anſicht wiſſenſchaftlich
begründeten Geſchichtsſchreibung vorlegt, welcher eine Fülle der Anregung und
Belehrung bietet, wenn ein Du Bois-Reymond der Kulturgeſchichte eine be—
ſondere Richtung und damit dem Geſchichtsſtudium eine neue Stelle in der
wiſſenſchaftlichen Geſamtbildung zu geben verſucht, indem er ſie zu einer Ge—
ſchichte der Naturwiſſenſchaften und der Entdeckungen einſchränkt, dann kann man
ſich mit ſolchen Erſcheinungen eingehend beſchäftigen, man wird ſie prüfen und