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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 2.1885

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Pechtl, Heinrich: Die Bastille
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https://doi.org/10.11588/diglit.52690#0944

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932 Die Baſtille.

indem er in Wahnſinn verfiel; ſein Bruder Louis, der letzte Armag—
nac, erlangte erſt mit dem Tode Ludwigs XI. (1480) die Freiheit.

Eine andere Erfindung dieſes königlichen Scheufals waͤren die
2Oubliettes? und die eiſernen Käfige. Erſtere befanden ſich im
Turm der Freiheit. Der Gefangene, der durch ſie ſein Ende
finden ſollte, wurde von dem Gouverneur aus feinem Kerker in
ein Zimmer geführt, das „das letzte Wort“ hieß. Das matte Licht
einer Lampe läßt ſeinen Schimmer auf die dunkeln, nur mit Dolchen,
Picken, Schwertern und ungeheueren Ketten behängten Wände
Itternd gleiten, ein Prieſter tritt ein und ſucht durch verfängliche
Fragen die Namen neuer Opfer zu entlocken. Der Gouverneur
kommt wieder und führt jenen in ein helles, freundliches Zimmer
— zur Hinrichtung. Kaum angekommen laſſen ſich beide nieder
und der Gouverneur läßt den Gefangenen merken, daß er bald
der Freiheit ſich erfreuen werde; kaum glaubt er ihn etwas be—
ruhigt, ſo gibt er das ſchreckliche Zeichen: eine Klappe im Boden
öffnet ſich und der Unglückliche verſchwindet und fällt auf ein
kreiſendes, mit Meſſern beſetztes Rad, das ſeinen Leib in Stücke reißt.

Die Käfige waren mit eiſernem Laubwerk bekleidet, waren
6 Fuß breite, 8S Fuß lange und 7 Fuß hohe Balken.

Jedes Gefängnis wurde durch den Namen des Turmes und
der beſtimmten Nummer des Stockwerkes bezeichnet, ebenſo der
Gefangene ſelbſt, deſſen Name hinter der Benennung ſeiner ent—
ſprechenden Wohnungsnummer verſchwand, ſo daß es unter ſeines—
gleichen nicht mehr Menſchen, ſondern nur Zahlen gab.

Solcher Nummern konnte die Baſtille bei abgeſonderter Haft
bei 50 faſſen, wurden aber mehrere zuſammengethan, wohl über 100;
ſo wandelbar war die Zahl, daß ſie zwiſchen 10 —20 gewöhnlich,
doch auch zwiſchen 40, 50 und mehr ſchwankte.

Im Schloſſe gab es 42 Gemächer, 37 in den Türmen, die
übrigen waren in der Verbindungsmauer angebracht.

Dieſe Stuben hatten kein Mobiliar. Wenn nicht Verwandte
oder Freunde die Gefangenen damit verſahen, wurde für dasſelbe
Miete gezahlt. Trotzdem, daß man zahlte, beſtand nicht die Be—
rechtigung, Möbel von wem immer zu mieten, ſondern die Baſtille
hatte ihren beſonderen Tapiſſier, von dem allein ſie bezogen werden
durften. Gegen 1709 beſtimmte der König einen Fonds, aus
dem die Anſchaffung der nötigen Möbel zu erfolgen hatte.

Die Baſtille unterſtand der Oberaufſicht eines Miniſters, ge—
wöhnlich dem, deſſen Departement die Geſchäfts-Agende der Stadt
Paris zugewieſen war; er ordnete und kontrollierte die Ausgaben,
nahm die Rechnung und jeden Tag den Bericht des Gouvernements
über den Perſonalſtand der Gefangenen entgegen. Zur Zeit Lud—
wigs XIV. waren Colbert, Seignaley und beide Pontchar—
train mit der Obſorge der Baſtille betraut.
 
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