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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 2.1885

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Mitteilungen und Berichte
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Egelhaaf, Gottlob: Zur Geschichte Karls V.
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https://doi.org/10.11588/diglit.52690#0972

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960 Mitteilungen und Berichte,

darüber war die Verbindung der Kronen von Kaſtilien und Aragon gelockert
worden, auf welcher doch die Macht Spaniens ruhte; Aragon ging mit Kata—
lonien und Valencia zuſammen wieder ganz getrennte Wege; die nationale Ein—
heit beſtand nur noch gegen den auswärtigen Feind; im Innern herrſchte ſprödeſte
Abſonderung der einzelnen alten Königreiche, Landſchaften, Kommunen. „Von
Natur,“ ſagt Guicciardini, „ſind die Spanier hochmütig und ſie meinen gern,
daß ſich keine Nation mit ihnen vergleichen könne; in ihren Reden ſtreichen ſie
das Eigene gewaltig heraus; ſie lieben die Fremden wenig und ſind im Verkehr
mit ihnen ſehr ungehobelt.“ „Apud Hispanos,“ bezeugt auch Petrus Martyr,
„nullus unquam non Hispanus emersisse dicitur; sibi sapere, quod satis
est, jactant.“ Und nun brachte der junge König zu dieſer hochmütigen, aus—
ſchließlich ſich ſelbſt, ja faſt dem kantonalen Geiſte lebenden Nation eine Schar
von, Niederländern, welche ihn völlig beherrſchten. Wohl ergötzte ſich das Volk
an den glänzenden Feſten, die der König gab, an den Turnieren, wie man ſeit
zweihundert Jahren keine mehr geſehen; aber die Granden, welche unter großen
Koſten zu Hofe ritten, wollten auch Einfluß und Gunſt haben: es war ſchön,
daß ſie wieder einen König hatten; aber dieſer war durch den dichten Ring ſeiner
flandriſchen Räte gegen alles Spaniſche abgeſperrt; nicht einmal ſpaniſch ſprechen
konnte Karl V. damals; deshalb ſchwieg er ſo beharrlich, und er hatte gar keine
Luſt ſich in der Sprache des Landes zu vervollkommnen. Aus ſolchen Dingen
erwuchs eine tiefe Unzufriedenheit, welche ſich noch ſteigerte, als Karl ſich zur
Kandidatur um die im Januar 1518 erledigte Kaiſerkrone anſchickte und trotz
der Wühlereien der Franzoſen und des Papſtes Leo X. deſſen antihabsburgiſche
Geſinnungen unzweifelhaft ſind, auch im Wahlkampf obſiegte. Wohl verſicherte
er in einem am 5. September 1519 an die kaſtilianiſchen Städte gerichteten
Schreiben, daß durch die kaiſerliche Würde, welche freilich allen anderen weltlichen
Würden vorgehe, dem ſpaniſchen Reiche kein Nachteil erwachſen ſolle; die offenbare
Wahrheit war aber doch, daß Kaſtilien bei der Heftigkeit der inneren Gegenſätze
nicht ohne den ausgleichenden und bändigenden perſönlichen Einfluß des Königs
beſtehen konnte. Als deſſen Abreiſe gewiß wurde, empörte ſich Toledo, und in dem
Augenblick, da Karl abreiſte, es war im Mai 1520, erſchien ein Komet, von
welchem in der Richtung des ſeinem Schickſal überlaſſenen Kaſtilien ein ſchwarzer
Dunſt ausging, welcher allmählich den Leib des Geſtirns verſchlang; die ſchlimmen
Ahnungen trafen bald ein, da der Aufſtand der Kommunen allgemein wurde
und dann eine radikale Strömung in ihm obenan kam, welche den Adel mit
der Wurzel ausrotten und die ihm unterthänigen Mauren mit Gewalt zum Chriſten—
tum bekehren wollte: an der Spitze der wütenden Volkshaufen finden wir öfters
Mönche, ähnlich wie 1525 in Deutſchland Kleriker das Feuer anblieſen, und
Antonio de Acuna, Biſchof von Zamora, plünderte an der Spitze von 300 Kle—
rikern Kirchen und Klöſter und verſprach den Comuneros große Summen und
ein ſtattliches Heer, falls ſie ihn an die Spitze ſtellen wollten!

Währenddeſſen hatte ſich Karl in Aachen krönen laſſen und ſeinen erſten
Reichstag in Worms eröffnet. Hier war die religiöſe Frage doch die, welche die
Gemüter am lebhafteſten ergriff. Luthers Popularität war auf ihrem Gipfel—
punkte, und in den Schriften des Jahres 1520 forderte er die Laien, aus dem
 
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