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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Herbert, Wilhelm: Hinterm Berge: eine Malergeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0040

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25

Ginterm Verge.

Line Malergeschichte von Wilhelm Herbert.


Or. Müller schrieb einen Hochgebirgsroman.

„Talent allein", Pflegte er zu sagen, „hat keinen
Wert — Inspiration ist alles!"

Darum mußte im Hause das ganze Leben einen
möglichst gebirglerischen Anstrich erhalten.

Jedes andere Geräusch war verpönt; aber jodeln
durfte, wer's vermochte, nach Herzenslust. Ein Aelpler-
Dialektausdruck lockte dem Herrn des Hauses ein Schmunzeln
der Anerkennung ab und, was das Kostüm betrifft, so
blühte die Salontirolerei aufs schönste.

Frau Or. Müller, eine starke blasse Dame, die
ihren Mann vergötterte und seine Muse in den Himmel
hob, ging im neckisch kurzen Sennerinnenröckchen mit
verschnürtem Mieder umher und ihre Tochter Olga, der's
übrigens ganz reizend stand, that desgleichen.

Or. Müller selbst trug Joppe und Kniehose, brachte
zum Schaden des
wohlgepflegten Par-
ketts die genagelten
Schuhe nicht mehr
von den Beinen und
rauchte aus einer
echten Flößerpfeife
einen Holzknecht-
knaster, der seiner
Frau denn doch hie
und da einen tiefen
Seufzer und einen
verzweifelten Blick
auf ihre Gardinen
abpreßte. Daß er
auch Wadenstrümpfe
trug, sei nur neben-
her bemerkt, weil
sich die Aermsten
mangels der dazu
gehörigen Waden
eines durchaus ver-
fehlten Berufes er-
freuten.

Aber all das
war noch nicht In-
spiration genug.

„Ich muß in
die lachende, leuch-
tende , großartige
Bergwelt selbst
hineinsehen, wenn ich
den Leuten, die dort
wohnen, aus dem
Herzen heraus dich-
ten soll!" sagte er.

Seine Frau
sah ratlos vor sich
hin; denn wenn sie
ihm zuliebe auch
alles that, ein
paar Berge in sein

Poetenstübl hineinzuversetzen, hatte sie keine Macht. Aber
auch dafür fand man Mittel.

Eines Tages kam er sehr vergnügt nach Hause.
„Ich habe heute den jungen Ries getroffen, den
Kunstmaler —"

„Mit dem wir im Sommer zusammen waren!"
nickte Olga lebhaft.

Er sah sie sehr mißtrauisch an.

„Es fällt mir auf", sagte er dann, „es fällt mir
jetzt auf, Kind, daß auch er sich sofort mit einer solchen
Lebendigkeit nach dir erkundigte! Ich hoffe und erwarte,
daß das beiderseits reiner Zufall war —"

„Reiner Zufall — bei mir — natürlich!" stotterte
Olga blutrot.

„Ich würde auch kein „G'spusi" — „G'spusi", liebes
Weiberl, ist ein echtes Gebirgswort für Liebschaft —

keinG'spusi zwischen
dir und dem Maler
dulden! Du weißt,
daß es mein lieb-
ster Lebensplan ist,
dem Sohne meines
Verlegers, der alle
meine Musenkinder
pflegt, auch meine
leibliche Tochter an-
zuvertrauen. Der
Alte schätzt dich,
der Junge hat eine
warme Neigung für
dich — kurz und
gut, setz' dir ja den
Maler nicht in den
Kopf —"

Er saß aber schon
drinnen und ging
nicht mehr heraus.

„Uebrigens",fuhr
Or. Müller fort, „ist
Ries ein gefälliger
Mensch! Er hat
mir's aus freien
Stücken angetragen,
mir auf eine große
Leinwand, die sich
hinter meinem
Schreibtisch auf-
stellen läßt, einen
Berg mit allen
Alpenfinessen zu
malen — Gebirgs-
dörfchen, Wasserfall,
Schlucht, Senn-
hütte, Gletscher —
kurzum, ich habe
ihn eingeladen, sich
morgen in meinem
Poetenstübl einzu-

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Die A-nst für Alle XIII.
 
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