8. Prävention psychischer Störungen
übergreifend Ansätze zur Prävention anbieten können. Diese interdisziplinären An-
sätze stützen sich auf formale Modelle, die wenig über die Art der Entstehung psychi-
scher Störungen aussagen, dabei aber allgemeine Vorschläge zur Logik und zu mögli-
chen Ansatzpunkten der Prävention machen. Sie bieten einen Kompromiß zwischen
einer medizinischen und sozialwissenschaftlichen Denkweise.
8.3.1. Formale Modelle der Prävention
Ziel der formalen Modelle zur Prävention psychischer Störungen ist es, Risiko-
faktoren im Vorfeld psychischer Erkrankungen und Stabilisatoren psychischer Ge-
sundheit zu erkennen und daraus Maßnahmen zu entwickeln, die den Einfluß riskanter
Bedingungen vermindern und gesundheitsfördernde Faktoren verstärken. Ent-
sprechende Überlegungen sind in (1) kybernetischen Vorstellungen zur Regulation von
Prävention und in sogenannten (2) Vulnerabilitäts- oder Risikomodellen zu finden.
(1) Kybernetische Modellvorstellungen. Brandstädter (1982b) unterschied thera-
peutisch-korrektive Maßnahmen von präventiven dadurch, indem er von verschie-
denen kybernetischen Steuerungsmodellen ausging. Therapeutisch-korrektive Maß-
nahmen werden seiner Ansicht nach in Regelkreisen gelenkt, die auf momentane Ab-
weichungen von bestimmten Sollwerten achten (Kriterien der psychischen Gesundheit,
wie z.B. "Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit", oder Symptome psychischer
Störungen, wie z.B. "phobische Reaktionen"). Für den Fall, daß vergleichbare Ab-
weichungen vorherzusagen sind, werden präventive Maßnahmen in Steuerketten an-
geleitet, die auf das Vorkommen von Störgrößen im Sinne von Risikofaktoren achten.
Wenn Eltern vor möglichen Überforderungen ihres Kindes gewarnt werden, nachdem
man erkannt hat, daß an das Kind zu hohe Leistungserwartungen gestellt wurden,
dann stellt dies für Brandstädter (1982b, S. 44) eine präventive Maßnahme dar. Beide
Steuerungsformen ergänzen sich. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn keine
Prognosen möglich sind. Ursachen hierfür könnten in mangelhaftem ätiologischem
Wissen oder in präventiv-diagnostischen Aufgaben begründet sein, die z.B. ökono-
misch nicht mehr zu vertreten sind.
(2) Vulnerabilitäts- und Risikomodelle. Während die Überlegungen von
Brandstädter (1982b) in der Präventions-Forschung kaum Beachtung gefunden haben,
sind verschiedene Modelle der Vulnerabilität oder Invulnerabilität zu Leitbildern einer
formelhaft definierten Prävention psychischer Störungen geworden. Diese Modelle
sind größtenteils mit den in der Literatur als Diathese-Streß-Modelle erwähnten iden-
tisch und stehen im Einklang mit Vorstellungen zu einem biopsychosozialen Modell
(Albee, 1980, 1983; Bastine, 1990; Becker, 1984; Becker & Minsel, 1982; Elias,
1987; Lösel et al., 1989; Rutter, 1979; Spring & Zubin, 1977). Grundlegende An-
nahme der Vulnerabilitäts- und Risikomodelle ist, daß sich die Wahrscheinlichkeit,
psychisch zu erkranken, aus dem Verhältnis von dispositionellen "Verletzlichkeiten"
und Risiken auf der einen und protektiven Faktoren (Kompetenzen und Umweltressour-
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übergreifend Ansätze zur Prävention anbieten können. Diese interdisziplinären An-
sätze stützen sich auf formale Modelle, die wenig über die Art der Entstehung psychi-
scher Störungen aussagen, dabei aber allgemeine Vorschläge zur Logik und zu mögli-
chen Ansatzpunkten der Prävention machen. Sie bieten einen Kompromiß zwischen
einer medizinischen und sozialwissenschaftlichen Denkweise.
8.3.1. Formale Modelle der Prävention
Ziel der formalen Modelle zur Prävention psychischer Störungen ist es, Risiko-
faktoren im Vorfeld psychischer Erkrankungen und Stabilisatoren psychischer Ge-
sundheit zu erkennen und daraus Maßnahmen zu entwickeln, die den Einfluß riskanter
Bedingungen vermindern und gesundheitsfördernde Faktoren verstärken. Ent-
sprechende Überlegungen sind in (1) kybernetischen Vorstellungen zur Regulation von
Prävention und in sogenannten (2) Vulnerabilitäts- oder Risikomodellen zu finden.
(1) Kybernetische Modellvorstellungen. Brandstädter (1982b) unterschied thera-
peutisch-korrektive Maßnahmen von präventiven dadurch, indem er von verschie-
denen kybernetischen Steuerungsmodellen ausging. Therapeutisch-korrektive Maß-
nahmen werden seiner Ansicht nach in Regelkreisen gelenkt, die auf momentane Ab-
weichungen von bestimmten Sollwerten achten (Kriterien der psychischen Gesundheit,
wie z.B. "Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit", oder Symptome psychischer
Störungen, wie z.B. "phobische Reaktionen"). Für den Fall, daß vergleichbare Ab-
weichungen vorherzusagen sind, werden präventive Maßnahmen in Steuerketten an-
geleitet, die auf das Vorkommen von Störgrößen im Sinne von Risikofaktoren achten.
Wenn Eltern vor möglichen Überforderungen ihres Kindes gewarnt werden, nachdem
man erkannt hat, daß an das Kind zu hohe Leistungserwartungen gestellt wurden,
dann stellt dies für Brandstädter (1982b, S. 44) eine präventive Maßnahme dar. Beide
Steuerungsformen ergänzen sich. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn keine
Prognosen möglich sind. Ursachen hierfür könnten in mangelhaftem ätiologischem
Wissen oder in präventiv-diagnostischen Aufgaben begründet sein, die z.B. ökono-
misch nicht mehr zu vertreten sind.
(2) Vulnerabilitäts- und Risikomodelle. Während die Überlegungen von
Brandstädter (1982b) in der Präventions-Forschung kaum Beachtung gefunden haben,
sind verschiedene Modelle der Vulnerabilität oder Invulnerabilität zu Leitbildern einer
formelhaft definierten Prävention psychischer Störungen geworden. Diese Modelle
sind größtenteils mit den in der Literatur als Diathese-Streß-Modelle erwähnten iden-
tisch und stehen im Einklang mit Vorstellungen zu einem biopsychosozialen Modell
(Albee, 1980, 1983; Bastine, 1990; Becker, 1984; Becker & Minsel, 1982; Elias,
1987; Lösel et al., 1989; Rutter, 1979; Spring & Zubin, 1977). Grundlegende An-
nahme der Vulnerabilitäts- und Risikomodelle ist, daß sich die Wahrscheinlichkeit,
psychisch zu erkranken, aus dem Verhältnis von dispositionellen "Verletzlichkeiten"
und Risiken auf der einen und protektiven Faktoren (Kompetenzen und Umweltressour-
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