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Bastine, Reiner [Hrsg.]
Klinische Psychologie (Band 2): Klinische Psychodiagnostik, Prävention, Gesundheitspsychologie, Psychotherapie, psychosoziale Intervention — Stuttgart, Berlin, Köln, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.16130#0188

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9.6. Diskussion und Ausblick

In diesem Kapitel wurde das relativ junge und komplexe Gebiet der Gesundheitspsy-
chologie kritisch und doch optimistisch dargestellt. Betont wurden die Möglichkeiten
und zukünftigen Aufgaben gesundheitspsychologischer Theorie und Praxis. Um den
Leser jedoch nicht mit einem zu positiven Bild der - zumindest in Deutschland - noch
recht kargen Präventionslandschaft zu belassen, sollen in der nun folgenden abschlie-
ßenden Diskussion einige Aspekte der "Kehrseite der (gesundheitspsychologischen)
Medaille" zumindest kurz angerissen werden (s. auch Schmidt et al. 1990).

Eine grundsätzliche Diskussion des Präventionsgedankens im Gesundheitsbereich
(vgl. Schrottmann, 1990; vgl. Kap. 8.) kann mit Hilfe der ironischen Definition von
Bloom (1981) eingeleitet werden:

"Primäre Prävention befaßt sich mit Problemen, die nicht existieren, mit Personen, die nicht belästigt
werden wollen, mit Methoden, die sich wahrscheinlich noch nicht als effektiv erwiesen haben, bei Pro-
blemen, die viele Bereiche in vielen Generationen mit vielen Facetten betreffen, zu deren Erforschung
komplexe Längsschnittdesigns erforderlich sind, deren klare Resultate unmittelbar erwartet werden und
politischen und ökonomischen Zwecken dienen, die in keinem Zusammenhang mit der Fragestellung
stehen." (Bloom, 1981, S.8; Ü.d.A.)

Auch wenn man diese extreme Meinung nicht teilt, so müssen doch einige Aspekte
kritisch hinterfragt werden. Beispielsweise ist die Kenntnis von ätiologischen Zusam-
menhängen im Gesundheitsbereich (z.B. zwischen Gesundheitsverhalten/Risikoverhal-
ten und Gesundheit/Krankheit) noch sehr unbefriedigend (vgl. Ridder, 1987). Dies
liegt zum einen an dem erheblichen Aufwand einer sinnvollen Präventionsforschung:
So müssen Untersuchungsdesigns für große Populationen entworfen werden, die eine
langfristige Beobachtung komplexer Fragestellungen ermöglichen und gleichzeitig
eine Konfundierung der möglichen Effekte präventiver Maßnahmen mit anderen Vari-
ablen ausschliessen. Eine Erforschung dieser Problemstellung wird zudem dadurch er-
schwert, daß zumindest in Deutschland für Zwecke der Primärprävention im Ver-
gleich zur medizinischen Behandlung und Rehabilitation äußerst geringe Etats zur
Verfügung stehen.

In diesem Zusammenhang ist in den letzten Jahren eine sehr kontroverse Diskus-
sion um Kosten und Nutzen präventiver Maßnahmen geführt worden. Hierbei sind
zum einen die individuellen Kosten und Nutzen von Personen zu beschreiben, die sich
gesundheitsförderlich bzw. gesundheitsbeeinträchtigend verhalten. Dieser Aspekt ist
in einigen Gesundheitsverhaltensmodellen im Hinblick auf die Diskrepanz zwischen
kurzfristig positiven und langfristig negativen Konsequenzen (d.h.: jetzt genießen vs.
später erkranken) diskutiert worden.

Die Kosten-Nutzen-Diskussion ist jedoch auch sehr intensiv im Zusammenhang mit
gesellschaftlichen und ökonomischen Fragestellungen behandelt worden (vgl. Yates,
1980). So hat die Kostenexplosion im Gesundheitswesen und die sich daraus erge-
bende Notwendigkeit der Kostendämpfung einerseits (wenn auch noch nicht genü-

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