11.1. Lernen und Übung
11.1.1. Lerntheorien
Lern theoretisch orientierte Psychotherapeuten vertreten die Auffassung, daß psychi-
sche Störungen (z.B. klinische Ängste und Phobien, Depression, Zwänge, Sprachstö-
rungen, Schlafstörungen, Alkohol- und Drogenabhängigkeit, Hyperaktivität von Kin-
dern usw.) durch gezielte Lernerfahrungen kuriert werden können. Dieser Therapie-
form liegt der Gedanke zugrunde, daß psychische, psychophysiologische und psycho-
somatische Probleme in der individuellen Lerngeschichte erworben wurden und als
Exzesse oder Defizite aufgefaßt werden können. Dementsprechend müßten durch
Lernprozesse neue Kompetenzen geschaffen werden, um die Probleme zu überwin-
den. Tatsächlich ist der Mensch die lernfähigste Tierart. Lerntheoretiker wie Pavlov,
Thorndike und Skinner machten die These populär, daß alles Lernen als mehr oder
weniger einheitlicher Prozeß anzusehen ist, der sich auch bei Tierarten wie Fischen,
Vögeln oder Ratten findet. Dagegen ist von Hobhouse (1926) zuerst die Auffassung
vertreten worden, daß sich im Laufe der Evolution unterschiedliche Lernmechanismen
herausgebildet haben.
Ähnlich wie Thorpe (1956) nimmt Razran (1971) an, daß entsprechend der phylo-
genetischen Entwicklung eine Hierarchie von Lernmechanismen vorliegt. Für diese
Hierarchie gilt, daß die niederen Formen bei allen Tierarten auftreten, während dies
für die höheren nur beim Primaten bzw. nur beim Menschen der Fall ist:
- Höhere Formen des Lernens ermöglichen neue Leistungen (z.B. Sprache);
- Höhere Formen des Lernens integrieren niedere Formen des Lernens, die jedoch als Subsysteme be-
stehen bleiben;
- Höhere Formen des Lernens sind effektiver; niedere Formen des Lernens dafür stabiler und univer-
seller;
- Höhere Formen des Lernens dominieren in der Regel die niederen Formen; unter bestimmten Bedin-
gungen können sich aber auch niedere Formen durchsetzen (z.B. Panik gegenüber rationaler Kon-
trolle);
- Höhere und niedere Formen können sich gegenseitig ergänzen oder aber sich gegenseitig behindern.
Im einzelnen unterscheidet Razran (1971) die folgenden sieben Formen des Lernens:
1) Habituation: die Gewöhnung an eine Stimulation und damit verbunden die Ab-
nahme der Reaktionstendenz bei wiederholter vorausgehender Stimulation. Zum
Beispiel die Gewöhnung an Lärm oder Geruchsbelästigung.
2) Sensitivierung: die Erhöhung der Reaktionswahrscheinlichkeit durch wiederholte
vorausgehende Stimulation mit schädlichen (Vermeidung) oder attraktiven Reizen
(Annäherung). Zum Beispiel die erniedrigte Schwelle für visuelle, akustische oder
olfaktorische Stimuli bei Nahrungsaufnahme oder Sexualität.
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11.1.1. Lerntheorien
Lern theoretisch orientierte Psychotherapeuten vertreten die Auffassung, daß psychi-
sche Störungen (z.B. klinische Ängste und Phobien, Depression, Zwänge, Sprachstö-
rungen, Schlafstörungen, Alkohol- und Drogenabhängigkeit, Hyperaktivität von Kin-
dern usw.) durch gezielte Lernerfahrungen kuriert werden können. Dieser Therapie-
form liegt der Gedanke zugrunde, daß psychische, psychophysiologische und psycho-
somatische Probleme in der individuellen Lerngeschichte erworben wurden und als
Exzesse oder Defizite aufgefaßt werden können. Dementsprechend müßten durch
Lernprozesse neue Kompetenzen geschaffen werden, um die Probleme zu überwin-
den. Tatsächlich ist der Mensch die lernfähigste Tierart. Lerntheoretiker wie Pavlov,
Thorndike und Skinner machten die These populär, daß alles Lernen als mehr oder
weniger einheitlicher Prozeß anzusehen ist, der sich auch bei Tierarten wie Fischen,
Vögeln oder Ratten findet. Dagegen ist von Hobhouse (1926) zuerst die Auffassung
vertreten worden, daß sich im Laufe der Evolution unterschiedliche Lernmechanismen
herausgebildet haben.
Ähnlich wie Thorpe (1956) nimmt Razran (1971) an, daß entsprechend der phylo-
genetischen Entwicklung eine Hierarchie von Lernmechanismen vorliegt. Für diese
Hierarchie gilt, daß die niederen Formen bei allen Tierarten auftreten, während dies
für die höheren nur beim Primaten bzw. nur beim Menschen der Fall ist:
- Höhere Formen des Lernens ermöglichen neue Leistungen (z.B. Sprache);
- Höhere Formen des Lernens integrieren niedere Formen des Lernens, die jedoch als Subsysteme be-
stehen bleiben;
- Höhere Formen des Lernens sind effektiver; niedere Formen des Lernens dafür stabiler und univer-
seller;
- Höhere Formen des Lernens dominieren in der Regel die niederen Formen; unter bestimmten Bedin-
gungen können sich aber auch niedere Formen durchsetzen (z.B. Panik gegenüber rationaler Kon-
trolle);
- Höhere und niedere Formen können sich gegenseitig ergänzen oder aber sich gegenseitig behindern.
Im einzelnen unterscheidet Razran (1971) die folgenden sieben Formen des Lernens:
1) Habituation: die Gewöhnung an eine Stimulation und damit verbunden die Ab-
nahme der Reaktionstendenz bei wiederholter vorausgehender Stimulation. Zum
Beispiel die Gewöhnung an Lärm oder Geruchsbelästigung.
2) Sensitivierung: die Erhöhung der Reaktionswahrscheinlichkeit durch wiederholte
vorausgehende Stimulation mit schädlichen (Vermeidung) oder attraktiven Reizen
(Annäherung). Zum Beispiel die erniedrigte Schwelle für visuelle, akustische oder
olfaktorische Stimuli bei Nahrungsaufnahme oder Sexualität.
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