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Bastine, Reiner [Hrsg.]
Klinische Psychologie (Band 2): Klinische Psychodiagnostik, Prävention, Gesundheitspsychologie, Psychotherapie, psychosoziale Intervention — Stuttgart, Berlin, Köln, 1992

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.16130#0366

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11.6. Gruppen

11.6.1. Formen der Gruppentherapie

Gruppen werden therapeutisch in ganz unterschiedlichen Funktionen genutzt:

# Gruppe als Publikum: Es gibt Seminare mit psychohygienischem Charakter, die
mit großen Gruppen bis zu 200 Teilnehmern arbeiten. In solchen Seminaren ist die
Gruppe ein Teil der Intervention, da ein Teilnehmer bei einer Demonstration je-
weils abwägt, was er preisgeben kann.

# Gruppe als Auditorium: Die Teilnehmer einer Gruppe lernen gemeinsam etwas
(didaktische und Informationsgruppen z.B. über Alkoholabhängigkeit oder Eß-
probleme, Entspannungsgruppen).

# Gruppe als Ubungsfeld: In der Gestalttherapie z.B. wird die Person, die auf dem
sogenannten "heißen Stuhl" etwas bearbeitet, manchmal gebeten, sich an eine be-
stimmte Person in der Gruppe oder an die Gruppe als Ganzes zu wenden, um etwas
zu überprüfen (eine neue Sicht- oder Verhaltensweise). Besonders ausgeprägt ist
dieser Ansatz auch im Training sozialer Kompetenzen (wie Kritik üben, Kritik oder
Scham ertragen, sich öffentlich exponieren, sich durchsetzen usw.). Es werden je-
weils Gegenspieler mit einbezogen, die bestimmte Rollen erhalten, um in dieser
sozialen Situation bestimmte Lernerfahrungen zu vermitteln (Ullrich & Ullrich de
Muynck, 1980).

# Gruppe als Beziehungsfeld: Sie wird als ein Mikrokosmos betrachtet, in dem
spontane Interaktionen auftreten, die in heilsamer Form gesteuert werden. In dieser
Form der Gruppenarbeit werden die Interaktionen der Teilnehmer nicht durch
Übungen strukturiert, sondern man achtet darauf, wie sich die einzelnen Personen
in der Gruppe entwickeln und welche Rollen und Interaktionpartner sie wählen.
Dabei wird angenommen, daß in der Gruppe analoge Inszenierungen wie im Alltag
entstehen. Diese werden analysiert und können unter günstigen Bedingungen ver-
ändert werden. Ein solches Rollenspiel mit begrenzten Vorgaben wird beispiels-
weise im Psychodrama eingesetzt (Engelke, 1981): Der Protagonist (Darsteller)
wählt dabei einen Interaktionspartner, der z.B. sein Vater oder seine Mutter sein
könnte usw. Der Prototyp dieser Art therapeutischer Gruppenarbeit sind jedoch die
Selbsterfahrungsgruppen. Dort erhält niemand eine bestimmte Rolle, und die
Rollen der Teilnehmer bilden im Laufe der Zeit heraus und verändern sich (Schutz,
1977).

# Psychoanalytische Gruppentherapie: Hier interessieren nicht die Einzelpersonen,
sondern es wird angenommen, daß die Gruppe als Ganzes einen "Körper" bildet,
einen psychischen Organismus, der Esfunktionen, ÜberichiwvMiontn, /c/zfunktio-
nen, Widerstand und Projektion produziert. Die Gruppe aktiviert all diese tiefen-
psychologischen Mechanismen, die sonst einer Person zugeschrieben werden. Man
kann an dieser Gruppe deutlich machen, wo der einzelne sich zuordnet (Foulkes,

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