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Bastine, Reiner [Editor]
Klinische Psychologie (Band 2): Klinische Psychodiagnostik, Prävention, Gesundheitspsychologie, Psychotherapie, psychosoziale Intervention — Stuttgart, Berlin, Köln, 1992

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.16130#0378

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12.2. Institutionelle Rahmenbedingungen der psychosozialen
Versorgung

Die gegenwärtige ökonomische Stagnation des Wohlfahrtsstaates betrifft die Klini-
schen Psychologen als Profession gleich in zweifacher Weise. Einerseits sind sie seit
Mitte der achtziger Jahre selbst Betroffene der prekären Arbeitsmarktsituation mit nur
eher zufälliger Ausweichmöglichkeit in den "zweiten Arbeitsmarkt". Zugleich sehen
sich jene, die auf relativ "krisensicheren" Planstellen im verbandlichen und staatlichen
Versorgungssystem tätig sind, mit einem zunehmenden Ungenügen und einer (zumeist
ökonomisch begründeten) Begrenztheit ihrer Hilfsangebote konfrontiert. Zwar scheint
die Finanzkrise des Sozialstaates eine (Wieder-)Entdeckung informeller Hilfe- und
Stützsysteme (in Gemeinde und Nachbarschaft) zu fördern (zu erzwingen), deren
wirkliche sozial-politische Bedeutsamkeit entzieht sich jedoch weitgehend der Ein-
sichtnahme und damit einer validen Beurteilung ihrer Tragfähigkeit und ihres gesell-
schaftlichen Nutzens (vgl. Kap. 8. "Prävention").

Andererseits ist aber auch die differenzierte Bewertung einzelner psychosozialer
Dienstleistungen, vor allem aber auch ihr Zusammenwirken schwierig. Dies liegt
nicht zuletzt daran, daß die psychosoziale Versorgung in der Bundesrepublik - im
Unterschied zu anderen Ländern (vgl. Grumiller & Strotzka, 1981; Baumann, 1991) -
von einem äußerst heterogenen System der sozialen Sicherung und des Gesundheits-
wesens getragen wird. So teilen sich beispielsweise die gesetzlich geregelten Zustän-
digkeiten für unterschiedliche und gleichartige Aufgaben auf zwischen den öffentli-
chen Trägern (Bund, Länder, Kommunen), den freien Trägern (v.a. den Wohlfahrts-
verbänden und Kirchen), den Solidargemeinschaften (Krankenkassen und Versiche-
rungsanstalten) und privaten Organisationen (vgl. auch Kap. 9. "Gesundheitspsycho-
logie ").

Nach dem Wunsch der Sozialplaner sollte sich diese Zuständigkeitsvielfalt zu ei-
nem überschaubar gegliederten Versorgungssystem gestalten, das die notwendige An-
zahl ausreichend differenzierter und miteinander verknüpfter Dienste für alle Katego-
rien von Hilfsbedürftigen regional zur Verfügung stellt. Dies wird beispielsweise im
"Bericht zur Lage der Psychiatrie in der BRD" {Psychiatrie-Enquete: Deutscher Bun-
destag, 1975) mit der Einrichtung geographisch gegliederter Standardversorgungs-
bereiche vorgeschlagen, deren Größe sich jeweils an einer Bevölkerungszahl von
150.000 bis 350.000 Einwohnern orientieren sollte (vgl. Abbildung 12.1). Abgesehen
von der geforderten Regionalisierung dürften heute die meisten der in der Übersicht
angegebenen Dienstleistungen zumindest überregional vorhanden und erreichbar sein.
In den meisten der aufgeführten Dienstleistungsbereiche sind heute Klinische Psycho-
logen tätig und arbeiten dort mit Medizinern, Sozialarbeitern, Pädagogen, Theologen
und anderen Berufsguppen zusammen.

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