8.5. Kritik, Probleme und Perspektiven
Die eingangs gestellte Frage nach dem Vorhandensein von praktikablen und effizien-
ten Modellen bzw. Programmen zur Prävention psychischer Störungen kann, trotz der
folgenden methodischen, theoretischen und gesellschaftspolitischen Einwände, insge-
samt positiv beantwortet werden. In einer Übersichtsarbeit von Baker et al., (1984)
werden über vierzig Studien zur Prävention psychischer Störungen mit durchwegs er-
folgreichen Ergebnissen berichtet. Für einige Bereiche und Vorgehensweisen
(gemeindeorientierte Beratung, Suchtprävention) liegen sogar entsprechende meta-
analytische Befunde vor (z.B. Hahlweg & Markman, 1988; Medway & Updyke,
1985; Tobler, 1986). In Kosten-Nutzen-Analysen wurden darüber hinaus die ökono-
mischen Vorteile verschiedener präventiver Programme vorgeführt (vgl. z.B.
Schweinhart & Weikhart, 1988). Die mangelnde Rezeption von Programmen zur Prä-
vention psychischer Störungen liegt also offenbar in der Regel nicht am mangelnden
Erfolg oder am geringen ökonomischen Nutzen dieser Vorhaben.
Die Rezeption präventiver Programme wird durch ganz unterschiedliche Probleme
und Widerstände behindert. Immanente Probleme der Präventionsforschung, insbe-
sondere im Bereich der Evaluation präventiver Programme, schrecken möglicherweise
viele ab (Heller, 1990; Lorion, 1983; Roberts & Peterson, 1984b). Nur ein geringer
Prozentsatz von einschlägigen Veröffentlichungen im Bereich der Gemeindepsycholo-
gie ist der Prävention (2-4%) gewidmet (Lounsbury et al., 1985; Novaco &
Monahan, 1980). Zu den vielleicht geringsten Problemen gehören die öffentlichkeits-
wirksamen Einwände von Lamb und Zusman (1979). Sie vertraten die Ansicht, daß
die Prävention psychischer Störungen ohne hinreichendes ätiologisches Wissen zu ei-
nem sinnlosen Wohlfahrtsunternehmen gerate (vgl. auch Holtzman, 1979). Diesem
Einwand wurde mit Recht entgegengehalten, daß die Identifikation und Beseitigung
von Risiken erfolgreich sein kann, ohne daß man den genauen kausal-genetischen Zu-
sammenhang zu kennen braucht. Die Effizienz der präventiven Programme kann al-
lein schon genügen. Zudem sind die Ziele vielfach nicht unmittelbar darauf ausge-
richtet, Defekte zu vermeiden, sondern Kompetenzen zu fördern (z.B. Albee, 1980,
1983; Brandstädter, 1982a). Gravierender sind schon die Probleme, die sich insbe-
sondere im Zusammenhang mit den zum Teil sehr langen Perioden bis zum Auftreten
bestimmter psychischer Störungen ergeben. Langzeituntersuchungen über Zeiträume,
wie sie für schizophrene Erkrankungen angenommen werden, die dem Einfluß der
vielen relevanten, salutogenen und pathogenen Bedingungen Rechnung tragen wollen,
scheinen fast unmöglich (Bloom, 1979). Die Inzidenz- und Prävalenzrate psychischer
Störungen durch Prävention senken zu wollen, setzt voraus, daß diese Raten, und da-
bei gerade auch die unbehandelten Störungen, reliabel und valide zu erheben sind.
Dies ist eine Voraussetzung, die vielfach in Frage zu stellen ist (vgl. Band I). Mit er-
heblichen ethischen Problemen sind Untersuchungspläne behaftet, die möglichst nach
den Vorgaben experimenteller Forschung orientiert sein sollen. Selbst quasi-experi-
120
Die eingangs gestellte Frage nach dem Vorhandensein von praktikablen und effizien-
ten Modellen bzw. Programmen zur Prävention psychischer Störungen kann, trotz der
folgenden methodischen, theoretischen und gesellschaftspolitischen Einwände, insge-
samt positiv beantwortet werden. In einer Übersichtsarbeit von Baker et al., (1984)
werden über vierzig Studien zur Prävention psychischer Störungen mit durchwegs er-
folgreichen Ergebnissen berichtet. Für einige Bereiche und Vorgehensweisen
(gemeindeorientierte Beratung, Suchtprävention) liegen sogar entsprechende meta-
analytische Befunde vor (z.B. Hahlweg & Markman, 1988; Medway & Updyke,
1985; Tobler, 1986). In Kosten-Nutzen-Analysen wurden darüber hinaus die ökono-
mischen Vorteile verschiedener präventiver Programme vorgeführt (vgl. z.B.
Schweinhart & Weikhart, 1988). Die mangelnde Rezeption von Programmen zur Prä-
vention psychischer Störungen liegt also offenbar in der Regel nicht am mangelnden
Erfolg oder am geringen ökonomischen Nutzen dieser Vorhaben.
Die Rezeption präventiver Programme wird durch ganz unterschiedliche Probleme
und Widerstände behindert. Immanente Probleme der Präventionsforschung, insbe-
sondere im Bereich der Evaluation präventiver Programme, schrecken möglicherweise
viele ab (Heller, 1990; Lorion, 1983; Roberts & Peterson, 1984b). Nur ein geringer
Prozentsatz von einschlägigen Veröffentlichungen im Bereich der Gemeindepsycholo-
gie ist der Prävention (2-4%) gewidmet (Lounsbury et al., 1985; Novaco &
Monahan, 1980). Zu den vielleicht geringsten Problemen gehören die öffentlichkeits-
wirksamen Einwände von Lamb und Zusman (1979). Sie vertraten die Ansicht, daß
die Prävention psychischer Störungen ohne hinreichendes ätiologisches Wissen zu ei-
nem sinnlosen Wohlfahrtsunternehmen gerate (vgl. auch Holtzman, 1979). Diesem
Einwand wurde mit Recht entgegengehalten, daß die Identifikation und Beseitigung
von Risiken erfolgreich sein kann, ohne daß man den genauen kausal-genetischen Zu-
sammenhang zu kennen braucht. Die Effizienz der präventiven Programme kann al-
lein schon genügen. Zudem sind die Ziele vielfach nicht unmittelbar darauf ausge-
richtet, Defekte zu vermeiden, sondern Kompetenzen zu fördern (z.B. Albee, 1980,
1983; Brandstädter, 1982a). Gravierender sind schon die Probleme, die sich insbe-
sondere im Zusammenhang mit den zum Teil sehr langen Perioden bis zum Auftreten
bestimmter psychischer Störungen ergeben. Langzeituntersuchungen über Zeiträume,
wie sie für schizophrene Erkrankungen angenommen werden, die dem Einfluß der
vielen relevanten, salutogenen und pathogenen Bedingungen Rechnung tragen wollen,
scheinen fast unmöglich (Bloom, 1979). Die Inzidenz- und Prävalenzrate psychischer
Störungen durch Prävention senken zu wollen, setzt voraus, daß diese Raten, und da-
bei gerade auch die unbehandelten Störungen, reliabel und valide zu erheben sind.
Dies ist eine Voraussetzung, die vielfach in Frage zu stellen ist (vgl. Band I). Mit er-
heblichen ethischen Problemen sind Untersuchungspläne behaftet, die möglichst nach
den Vorgaben experimenteller Forschung orientiert sein sollen. Selbst quasi-experi-
120