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Bastine, Reiner [Hrsg.]
Klinische Psychologie (Band 2): Klinische Psychodiagnostik, Prävention, Gesundheitspsychologie, Psychotherapie, psychosoziale Intervention — Stuttgart, Berlin, Köln, 1992

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.16130#0407

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12.7. Heimerziehung

Delinquenz, Verwahrlosung, Kriminalität und Dissozialität: Dies sind die vorrangigen
Begründungen für die Zuweisung von Kindern und Jugendlichen zur Erziehungshilfe
im Rahmen der örtlich gegebenen Möglichkeiten der Heimerziehung (geregelt in den
§§ 27 bis 41 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) von 1991). Die institutio-
nelle Heimerziehung übernimmt zeitweilig oder durchgängig die Aufgaben der Erzie-
hung von Kindern und Jugendlichen, wenn diese in der Herkunftsfamilie nicht mehr
gewährleistet ist und wenn es bereits wiederholt zu Auffälligkeiten gekommen ist.

12.7.1. Rechtliche Rahmensetzungen und Ziele der Heimerziehung

In aller Regel wird dazu den betroffenen Erziehungsberechtigten von öffentlicher
Seite (Jugendämtern, Erziehungsberatungsstellen) der Weg zur Heimerziehung nahe-
gelegt. In gravierenden Fällen geschieht dies, um einen zweiten Weg zu vermeiden,
in dem staatlicherseits die Elternrechte teilweise außer Kraft gesetzt werden können.
Konnten Eltern noch bis 1980 eine Unterbringung ihrer Kinder in der Heimerziehung
von sich aus unter Umgehung rechtlicher Beurteilung veranlassen, ist dies seit Erlaß
des Gesetzes zur Neuregelung der elterlichen Sorge (1979) nicht mehr möglich.
Haben die Eltern oder Erziehungsberechtigten eine Unterbringung von sich aus betrie-
ben, so sind die eigenen Rechte dem Minderjährigen gegenüber nicht außer Kraft
gesetzt, wenngleich sie Teile ihrer Rechte auf die Institution übertragen (vgl. Herzog,
1988). Insofern tritt die Heimerziehung dem Kind und Jugendlichen gegenüber
zumindest teilweise in Elternrechte ein. Mit dem neuen Kinder- und Jugendhilfegesetz
(KJHG) ist zudem die vielfach als diskriminierend erlebte Zuweisung zur Fürsorgeer-
ziehung weggefallen, die zumeist mit dem Entzug des Elternsorgerechts verknüpft war
(vgl. Herzog, 1988). Eine Fremdplazierung in der Heimerziehung ist seither nur noch
nach den Maßgaben der §§ 1631 bis 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
möglich.

Nach den dort vorgegebenen Rechtsnormen ist eine Anordnung zur Unterbringung des Kindes in der
Heimerziehung mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts möglich, wenn zugleich die Notwendig-
keit zum körperlichen, geistigen und seelischen Schutz des Kindes besteht (etwa durch mißbräuchliche
Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen
der Eltern oder durch gefährdendes Verhalten eines Dritten, wenn die Eltern selbst nicht in der Lage
sind, die Gefahr abzuwenden oder die zur Abwendung von Gefahr notwendigen Maßnahmen zu tref-
fen). Jugendliche schließlich können gemäß §§ 9 und 12 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) unter be-
stimmten Voraussetzungen (z.B. bei wiederholter Dissozialität oder Gefahr der Verwahrlosung) ver-
pflichtet werden, Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung der Heimerziehung in Anspruch zu nehmen.

Diese Fremdplazierungen unterliegen ansonsten jedoch den Zielstellungen, wie sie für
die Heimerziehung und sonstige betreuten Wohnformen durch § 34 des KJHG in drei
Punkten festgelegt wurden, nämlich

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