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Bastine, Reiner [Hrsg.]
Klinische Psychologie (Band 2): Klinische Psychodiagnostik, Prävention, Gesundheitspsychologie, Psychotherapie, psychosoziale Intervention — Stuttgart, Berlin, Köln, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.16130#0167

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9.4. Zur Bedeutung der Gesundheitssysteme für die
Gesundheitspsychologie

Für eine wissenschaftlich fundierte Gesundheitspsychologie ist es eine notwendige
Grundvoraussetzung, den Aufbau von Gesundheitssystemen einzubeziehen, da diese
alle wesentlichen Bereiche von Gesundheit und Krankheit tangieren und begrenzen
(vgl. Badura, 1990; Braun et al., 1989; Schmidt & Dlugosch, 1991). Die Analyse der
Systeme ist zwar nicht genuin psychologisch, aber sie beeinflußt die Praxis und die
Forschungsmöglichkeiten der Psychologie innerhalb vorgegebener Gesundheitssy-
steme und darüber hinaus in gravierendem Ausmaß.

In den komplexen Gesundheitssystemen sind überwiegend Aspekte der Krankheit
von Bedeutung. Dies wird auch an der Struktur des Gesundheitswesens und dem Sy-
stem der ambulanten und stationären Gesundheitsversorgung in Deutschland sehr
deutlich (vgl. Buchholz, 1988). Nur am Rande sei hier bemerkt, daß im Zuge der
deutschen Vereinigung den neuen Bundesländern das Gesundheitssystem der alten
Bundesländer gleichsam übergestülpt wurde, ohne daß eine intensive, wissenschaftlich
geleitete Diskussion über Vor- und Nachteile der beiden Systeme - gerade auch in
Hinblick auf Fragen der Prävention - stattgefunden hätte.

Selbstverständlich reicht es nicht aus, nur das Gesundheitssystem des eigenen Lan-
des zu analysieren, sondern es gilt, die Betrachtungen international vergleichend an-
zulegen (vgl. Alber, 1988, 1989; OECD, 1990; Schmidt & Dlugosch, 1991; Stone,
1990). Den umfassendsten Ansatz zur Analyse der Weltgesundheit unter globalen und
lokalen Aspekten hat die World Health Organization entwickelt (vgl. World Health
Organisation, 1987a,b, 1989). Dieser Organisation ist es gelungen, weltweit Gesund-
heitsziele zu formulieren und Programme in vielen Ländern zu implementieren. Al-
lerdings werden die Gesundheitssysteme in erster Linie von den Ländern selbst be-
schrieben (Autoren werden von der WHO nicht genannt), die sich meist bemühen, die
eigenen Systeme als positiv (im Sinne der Normen und Zielsetzung der WHO) heraus-
zustellen.

Eine globale Verankerung der Gesundheitsaspekte ist nicht nur erforderlich, um die
großen ökologischen Probleme erkennen und gegebenenfalls lösen zu können, sondern
auch zur Prävention bezüglich bestimmter Risiken, zur Krankheitsbekämpfung (z.B.
AIDS) oder zur Entwicklung möglichst optimaler und finanzierbarer Gesundheitssy-
steme.

Die Gesundheitssysteme werden meist in Bezug auf bestimmte Indikatoren der
Gesundheit (Inzidenz und Prävalenz von Krankheiten, Gesundheitszustand, -verhalten,
-risiken) gekennzeichnet und verglichen. Aus unserer Sicht müssen neben diesen
Merkmalen unbedingt auch die Aspekte der Gesundheitssysteme selbst einbezogen
werden (vgl. Schmidt & Dlugosch, 1991).

Alle Gesundheitsindikatoren sind anfällig gegen gesundheitspolitisch begründete
Ungenauigkeiten und sogar Manipulationen der Daten auf verschiedenen Ebenen.

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