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Bastine, Reiner [Hrsg.]
Klinische Psychologie (Band 2): Klinische Psychodiagnostik, Prävention, Gesundheitspsychologie, Psychotherapie, psychosoziale Intervention — Stuttgart, Berlin, Köln, 1992

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.16130#0149

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9.2. Historische Aspekte der Gesundheitspsychologie und der Gesundheitsförderung

in Deutschland setzte allmählich eine planmäßige Gesundheitserziehung ein, und zwar
als "Volksbelehrung" durch Ärztevereine, Wohlfahrtsverbände, Fürsorgeämter und
Beratungsstellen.

Eine kräftige Dynamik erhielt die wissenschaftlich-konzeptuelle Entwicklung, Ge-
sundheit aktiv und primärpräventiv zu fördern, anstatt sie wiederherstellen zu müssen,
durch den drastischen Wandel der Morbiditäts- und Mortalitätsraten in den westlichen
Industrienationen (vgl. z.B. Junge, 1986; Junge & Thom, 1987). Dank zunehmender
Kenntnisse in der medizinischen Forschung und Behandlung, der Fortschritte bei
Hygienemaßnahmen und der Bekämpfung externer Umwelt-Pathogene gelten heute
viele Krankheiten (z.B. Infektionen) als bekämpf- oder sogar ausrottbar. Dadurch ist
die durchschnittliche Lebenserwartung gestiegen. Haupttodesursachen sind derzeit die
sogenannten Zivilisationskrankheiten, deren Auftreten durch die Veränderung von Le-
bensgewohnheiten wesentlich reduziert werden könnte (vgl. Abb. 9.1. und Tab. 9.1.).
Die Gesundheitspsychologie hat sich zum Ziel gesetzt, Risikofaktoren bewußt zu ma-
chen, die Selbstverantwortlichkeit des Individuums zu betonen und die Gesun-
derhaltung zur individuell und sozial akzeptierten Aufgabe zu machen. Die American
Psychological Association trug diesen Zielen Rechnung, als sie 1978 eine Division
Health Psychology gründete.

Mit der Weltgesundheitsorganisation WHO wurde 1945 ein bedeutendes und ein-
flußreiches internationales Forum für Gesundheitsfragen gegründet. Als Meilensteine
in der Geschichte der WHO kann sowohl das Motto des Weltgesundheitstages 1981
("Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000") angesehen werden als auch die Etablierung
der Health Promotion als neues Programm im Jahre 1984. In deutlicher Abkehr von
der "reinen" Gesundheitserziehung durch Wissensvermittlung, wird die "Förderung"
der Gesundheit unter aktiver Einbeziehung der jeweiligen Zielgruppe und der Berück-
sichtigung ihrer Lebensumstände und -bedingungen zum Hauptschwerpunkt postuliert.
Die Ergänzung der gesundheitspsychologischen Perspektive durch die Public Health-
Bewegung (s.u.) in den letzten Jahren (vgl. Winett et al., 1989) hatte eine Auswei-
tung auf ökologische (Umweltverschmutzung, Treibhauseffekt, Ozonloch, Tempera-
turanstieg etc.), ökonomische (steigende Kosten für die Wiederherstellung von Ge-
sundheit) sowie politische Fragen (Besteuerung von Tabakwaren oder Alkohol, Be-
strafung von Risikoverhalten, Anschnall- oder Helmpflicht bei Straßenverkehrsteil-
nehmern etc.) zur Folge, wobei sich natürlich gänzlich andere Fragen in den Ent-
wicklungsländern als in den Industrienationen ergeben (vgl. World Health Organisa-
tion, 1987a,b).

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