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Bastine, Reiner [Hrsg.]
Klinische Psychologie (Band 2): Klinische Psychodiagnostik, Prävention, Gesundheitspsychologie, Psychotherapie, psychosoziale Intervention — Stuttgart, Berlin, Köln, 1992

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.16130#0204

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10. Psychotherapie

Gespräch gezeigte Mitarbeit des Patienten bei. Für einen positiven Ver-
lauf der psychoanalytischen Behandlung erwies sich ein komplexer Fak-
tor als entscheidend: die Eignung und Bereitschaft zur therapeutischen
Zusammenarbeit und die wechselseitige persönliche Wertschätzung von
Klient und Therapeut. Von den in ambulanten Einrichtungen erstunter-
suchten Patienten nahmen insgesamt 40 % eine Behandlung auf. Aller-
dings variierte die Quote des tatsächlichen Beginns zwischen den unter-
suchten Institutionen beträchtlich; bei den niedergelassenen Psychothe-
rapeuten wurden nahezu 90% der angebotenen Behandlungen auch be-
gonnen.

- Die Entfernung zwischen Wohnung der Klienten und dem Sitz der the-
rapeutischen Einrichtung spielt - in dem untersuchten Stadtgebiet - für
die Quote der Therapierealisierung keine Rolle.

Diese Befunde lassen zweifellos eine Reihe von Rückschlüssen über die
Zusammensetzung einer spezifischen (psycho-analytischen) therapeuti-
schen Klientel zu, sowie über die Auswahlmechanismen bei Klienten und
Therapeuten. Die Patientengruppe besteht zu einem großen Teil aus Per-
sonen in unsicheren Lebenssituationen, die durch psychosoziale Über-
gänge gekennzeichnet sind. Offensichtlich spielt das Einkommen für die
Finanzierung der psychoanalytischen Therapie eine untergeordnete Rolle,
da die Kosten von den Krankenkassen getragen wurden. Obwohl die Pa-
tienten bereits durch die Überweisungswege vorausgelesen waren, wird
bei einem erheblichen Anteil keine positive Indikation gestellt; ein weite-
rer Anteil verzichtet aus unaufgeklärten Gründen auf die in Aussicht ge-
stellte Behandlung.

Durch die Zielsetzungen und die Anlage der Untersuchung erfolgt die Da-
tenanalyse auf einem hochkomplexen Niveau, indem mehrfach einzelne
Variablen zusammengefaßt werden: Beispielsweise werden zur Prädik-
tion des Behandlungsverlaufs eine Reihe von Kriterien (z.B. die Indikati-
onsentscheidung zur Psychotherapie, Therapierealisierung usw.) mit je-
weils 127, teilweise selbst wieder aus mehreren Variablen verdichteten
Verlaufsprädiktoren in Beziehung gesetzt. Obwohl in derartigen, explora-
tiv angelegten Untersuchungen kaum vermeidbar, führt dieses Vorgehen
systematisch zur Überschätzung von Zusammenhängen und zur erhöh-
ten Anfälligkeit gegenüber dem Einfluß von Drittvariablen (z.B. zufälligen
Stichprobenunterschieden). Dennoch liefert diese Feldstudie eine Reihe
von äußerst interessanten Ergebnissen, die in weiteren Untersuchungen
aufgegriffen werden sollten.

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