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Bastine, Reiner [Hrsg.]
Klinische Psychologie (Band 2): Klinische Psychodiagnostik, Prävention, Gesundheitspsychologie, Psychotherapie, psychosoziale Intervention — Stuttgart, Berlin, Köln, 1992

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.16130#0341

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11.3. Argumentation und Instruktion

Die kognitive Verhaltenstherapie hat sich früh der Behandlung affektiver Störun-
gen zugewandt, insbesondere von Angstsyndromen (Wölpe, 1958), später unter be-
sonderer Betonung kognitiver Prozesse der Behandlung von Depression (Beck, 1976)
und Streß (Meichenbaum, 1976). Ellis (1977) hat sich im Rahmen der Rational-Emo-
tiven Therapie mit dysphorischen Stimmungen und neurotischen Befindlichkeiten
ganz allgemein auseinandergesetzt. Das Gemeinsame all dieser Theorieansätze ist, daß
diese Emotionen als störend, d.h. negativ zu bewertender Exzeß, behandelt werden.
Daher wird die Angst in der systematischen Desensibilisierung durch inkompatible in-
nere Bilder und Befindlichkeiten abgebaut. Der Depression als einem Zustand von In-
aktivität, Hilflosigkeit und Verstärkermangel wird versucht, durch Aktivierung und
positive Umdeutung der Realität die dyphorischen Spitzen zu nehmen. Auch die an-
tike Lebensphilosopie des Kynismus, des Hedonismus, der Stoa und die der Epikuräer
strebten in unterschiedlicher Radikalität an, den Menschen vor einer Versklavung
durch den Affekt zu retten.

Beck vermittelt in seiner Therapie eine euphemistische Sichtweise des Menschen
und seiner Möglichkeiten (Beck, 1985) - so als wäre ein Überlebensvorteil damit ver-
bunden, daß der Mensch seine Chancen unter Umständen höher einschätzt als sie
wirklich sind. Ellis (1977) sucht seinen Klienten eine stoische Gemütshaltung nahe-
zulegen. Gemäß der Stoa sollen Extreme sowohl einer positiven Befindlichkeit als
auch einer negativen Befindlichkeit vermieden werden, weil beide zu Enttäuschungen
führen.

Diese kognitiven Ansätze sind auf Gefühle wie Angst, Depression, Jähzorn, Ärger
und Schmerz angewendet worden (Novaco, 1975; Meichenbaum & Türk, 1976;
Verres & Sobez, 1980). Im allgemeinen wird in der kognitiven Therapie - im Gegen-
satz etwa zu körperorientierten Psychotherapien - kein Ausagieren starker Emotionen
angestrebt. Als Interventionsstrategien sind Disputation und induktive Widerlegung,
Selbstinstruktion, Umstrukturierung sowie Imagination hervorzuheben (s.u.).

11.3.2. Kognitive Psychotherapie

Die Transformation einer negativen Weltsicht, Selbstsicht oder Zukunftsperspektive
(depressive Trias) wird in der kognitiven Therapie der Depression von Beck (1976)
hauptsächlich durch induktive Widerlegung bewirkt. Der Klient wird angehalten, die
empirischen Daten, die scheinbar seinen Pessimismus stützen, genauer zu analysieren.
Sie sollen gerade der Verzerrung, Verkürzung und Selektion, der Dichotomisierung
und Übergeneralisierung entkleidet werden - in dem Sinne, daß ein halber Mißerfolg
zugleich doch ein halber Erfolg ist; daß der Klient Dinge vermag, die nützlich sind -
und sei es eine gerade Linie zeichnen oder Eier kochen.

In einem sophistischen Disput versucht die Rational Emotive Therapie (RET)
(Ellis, 1977; Keßler & Höllen, 1982; Walen et al., 1982) die inneren Glaubenssätze,
die das Individuum zu überhöhten Anforderungen anfeuern ("Ich muß 100%ig erfolg-

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