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Bastine, Reiner [Editor]
Klinische Psychologie (Band 2): Klinische Psychodiagnostik, Prävention, Gesundheitspsychologie, Psychotherapie, psychosoziale Intervention — Stuttgart, Berlin, Köln, 1992

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.16130#0355

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11.5. Beziehungs- und Regelveränderung

len Stufe fixiert sehen. In der Analogie zur kindlichen Entwicklung könnte man auch
sagen, das Paar A. ist, aufgrund seiner Defizite in der eigenen Biographie, in einer
symbiotischen Beziehung verhaftet, die keinerlei Abweichung von der Harmonie zu-
läßt (symbiotisch verstrickt). Das Paar B. ist in einer aggressiven Symbiose verhaftet,
die von Mißtrauen regiert ist. Bei Paar C. stagniert der Mann in einem symbiotischen
Harmoniebedürfnis, während sich seine Frau in einem Differenzierungsprozeß befin-
det. Die Beispiele sind durch die ersten beiden der drei Hauptstufen des Entwick-
lungsmodells von Mahler et al., (1975) gekennzeichnet:

- Symbiose entweder in harmonischer (Paar A.) oder aggressiver Verstrickung
(Paar B.),

- Differenzierung, die einseitig sein kann und dann problematisch wird (Paar C),

- Konsolidierung und Interdependenz in der Paarbeziehung, in der sich die Partner
gegenseitig Zuneigung zeigen können und zugleich ihre Autonomie bewahren.

Daß einfache Komplementaritäten in Paarbeziehungen bisher statistisch nicht immer
nachgewiesen werden konnten (Hahlweg et al., 1981; 1982; Mikula & Stroebe,
1977), erklärt sich unter Umständen aus der sequentiellen Selektion (Kerckhoff &
Davis, 1962): Danach finden sich Partner zunächst aufgrund symmetrischer Kriterien
attraktiv (Status, Interessen, Werte) und werden sich erst später ihrer komplementären
Bedürfnissen bewußt. Diese sind natürlich im Durchschnitt über alle Alterklassen
hinweg nicht nachweisbar.

11.5.2. Paartherapie

Paartherapie unterscheidet sich von der Einzeltherapie dadurch, daß die Zirkularität in
der Kommunikation zum Ausgangspunkt genommen wird. Sie beinhaltet u.U. die
Komplementarität der Biographien und neben dem verbalen Austausch und dem auf
der Handlungsebene einen solchen auf der sexuellen Ebene.

Empirische Untersuchungen haben ergeben, daß die emotionale Bindung bei Paa-
ren fünf Faktoren enthält (Swenson, 1972): Sehnsucht, Zärtlichkeit, Sorge, Toleranz
und Vertrauen sind danach die Aspekte des positiven Verstärkerwertes von Liebesbe-
ziehungen. Mit zunehmender Dauer der Beziehung verschiebt sich der Akzent ver-
mutlich: Anfänglich liegt er auf Sehnsucht, Zärtlichkeit und Sorge; das entspricht der
symbiotischen Phase und ist für die Reproduktion eine gute Voraussetzung. Später
stehen Zärtlichkeit, Sorge und Toleranz im Vordergrund, was eine Differenzierung
ermöglicht und die Familie trotzdem als soziale Einheit stabilisiert. Schließlich sind
Sorge, Toleranz und Vertrauen die tragenden Elemente, die eine Form der Konsoli-
dierung charakterisieren und die Unterstützung eines möglicherweise gebrechlichen
Partners begünstigen (vgl. Revenstorf, 1990b). Um den Potentialen einer Beziehung
zur Geltung zu verhelfen, sind die Besonderheiten der Altersstufe einer Beziehung zu

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