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Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 1): Die Bildnisse berühmter Römer — Stuttgart, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.662#0031

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Lucius Brutus. 19

kraus), in einem Winkel die Stirn begrenzend, letztere durch eine
Furche horizontal geteilt, und ziemlich eckig in die Scheitellinie über-
gehend. Der Hinterkopf nach oben etwas ausladend, die Nase hoch
und gerade und in derselben Flucht wie die Stirn. Kinn und "Wangen
von einem krausen Barte bedeckt. Auf der Goldmünze ist der Bart
schlichter und die Kopfform etwas gerundeter.

Die relative Uebereinstimmung zweier an verschiedenen Orten
und zu verschiedenen Zeiten geprägter Münzbildnisse beweist, dass
die Stempelschneider nicht ganz willkürlich zu Werke giengen, sondern
sich an einen bestimmt vorliegenden Typus hielten. Nun existierten
in Rom einmal die Almenbilder der vorgeblichen Nachkommen des
L. Brutus *, obgleich er in Wirklichkeit keine Descendenz hinter-
lassen 2. Ausserdem hatte man schon in früher Zeit (oh -nakai cPw^aiot)
dem Vertreiber der Könige auf dem Capitol mitten unter den Sta-
tuen der letzteren und aus demselben Material (Erz) eine Bildsäule
errichtet, welche ihn mit blossem Schwert in der Hand (dem Dolch
der Lucretia?) darstellte3, dieselbe, welche von C. Cassius benützt
wurde, um den Tyrannenhass in M. Brutus wachzurufen4. An den
Münztypen tritt jedoch keinerlei Spur von Altertümlichkeit zu Tage.
Die Stempelschneider scheinen daher nicht unmittelbar von diesen
Denkmälern ausgegangen zu sein, was bei auswärtiger Prägung auch
gar nicht möglich war, sondern einen conventionellen Typus des letz-
ten Jahrhunderts vor Chr. reproduciert zu haben. In welchem Ver-
hältnis derselbe zur capitolinischen Statue stand, und in wie weit
er allgemeinere Geltung hatte, können wir nicht mehr entscheiden.

Neben diesen Münzen hat in der Renaissancezeit, ungewiss durch
wen und aus was für Gründen, noch ein anderes Denkmal, der bekannte
bronzene Charakterkopf im Conservatorenpalast auf dem Capitol
(s. Fig. 1.)6, eine Art von autoritärer Geltung als Bildnis des älteren
Brutus erlangt. Er sitzt auf einer modernen Togabüste mit breitem
Faltenband, an sich wohlerhalten, von schwärzlicher Bronze, mit in-
crustierten Augen, deren Lider mit Haaren besetzt sind. Ueber seine
Herkunft wissen wir bloss, dass er im 16. Jahrhundert vom Cardinal
Ridolfi Pio da Carpi dem Magistrat der Stadt Rom geschenkt wurde6,

1 Cie. Philipp. II. 2. 26.

2 Dion. V. 18.

3 Plut. Brutus Cap. 1. Vgl. Dio XLIII. 45. Plift. H. N. XXXIII. 9. Plin. Pa-
ri eg. LV. 6.

4 Plutarch a. a. 0. 9.

s Visconti Icon. rom. pl. II. 1. 2; Bouillon Mus. d. ant. II.; Righetti
Campidoglio II. 248. Vgl. Beschreib, d. St. Rom III. 1. p. 117.
6 Faber Imagg. p. 50.
 
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