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Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 1): Die Bildnisse berühmter Römer — Stuttgart, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.662#0070

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58 Scipio Africanus.

wandt. Nur existiert nicht jene totale Uebereinstimmung mit der capitol.
Büste, wie man nach der viscontischen Abbildung glauben sollte, und
darf man auch nicht behaupten, dass die Kopfnarbe noch bemerkbar
sei. Es ist ein Grad von Aehnlichkeit, der die Beziehung auf Scipio,
wenn schon anderweitig empfohlen, bestätigen, der aber, sobald
Schwierigkeiten entgegen stehen, ebenso gut zufällig sein kann. Man
vergleiche z. B. den des Haar- und Bartwuchses vollständig erman-
gelnden Dädalus bei Heibig Wandgemälde Nr. 1206, wo trotz der
gleichen Aehnlichkeit Niemand im Ernst an Scipio denkt. Aber freilich
auf unserm Bilde soll hinzukommen, dass auch alles Andere zu der
genannten Persönlichkeit und dem supponierten Vorgang passt. Ich
muss dies, so absolut gefasst, ebenfalls in Abrede stellen. Es ist
denn doch Manches da, was noch keine genügende Erklärung ge-
funden hat. Schon das Costüm des angeblichen Scipio ist, gelinde
gesprochen, auffällig. Mag er sich während seines Aufenthaltes in
Syrakus darin gefallen haben, seine Neider durch griechische Klei-
dung zu ärgern \ hier mitten im Feldzug gegen Syphax und unmittel-
bar nach der siegreichen Schlacht2 erwartet man durchaus, ihn als
Feldherrn bezeichnet und, wonicht mit Helm und Panzer angethan,
doch mit irgend einem militärischen Abzeichen versehen dargestellt
zu finden. Statt dessen ist er barhaupt und in der Tunica8, und
auf dem ganzen Bilde nicht die leiseste Beziehung zu dem kriege-
rischen Hintergrund, auf dem die Scene vor sich geht. Und was
soll ferner der Sklave mit dem Speisebrett hinter Scipio? Jahn er-
klärt ihn als Opferdiener und als specielle Beigabe des Scipio, um diesen
mit höherer Feierlichkeit und Würde zu bekleiden. <Es ist nicht
der Feldherr und Vorgesetzte des Massinissa, welcher die Insubordi-
nation desselben mit harter Strenge rügt und bestraft, sondern der
geheiligte Vertreter des göttlichen Willens, der in solcher Eigenschaft
in das Ehegemach der Neuvermählten tritt und den widerrechtlich
geschlossenen Bund löst.» Diese Auffassung scheint mir weder der
Sache noch der gewöhnlichen Symbolik zu entsprechen. Den Scipio
als Ausdruck des Götterwillens hinzustellen, war für die tragische
Wirkung ohne Belang. Für die Schuldigen repräsentiert er so wie
so das Schicksal, dessen Machtgebot jene sich nicht entziehen können.
Dann aber zweifle ich sehr, ob die erwähnte Beziehung durch die

1 Eam pallio crepidisque inanibulare in gymnasio. Liv. XXIX, 19.

* Nach Livius geht ja die ganze Unterhandlung zwischen Seipio und Massinissa
im Lager vor sich.

3 Durchaus nicht in abito militare, wie es bei Visconti heisst (Icon. greca
III. p. 417). Der Mangel einer Toga auf einem vollständig griechisch costümier-
ten Bild kann unmöglich als ein militärischer Charakterzug gefasst worden.
 
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