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Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 1): Die Bildnisse berühmter Römer — Stuttgart, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.662#0071

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Kritik der Bezeichnung. 59

blosse Beigabe eines Opferdieners verständlich gewesen -wäre, zumal
durch die des vorliegenden, der trotz der gelehrten Ausführung Jahns
gar nicht bestimmt (etwa durch Bekränzung) als solcher charakterisiert
ist, vielmehr, an sich betrachtet, durchaus nur als ein bei der Mahl-
zeit dienender Haussklave erscheint. Auch in Beziehung auf andere
Punkte hat man offenbar zu viel aus dem Bilde herauslesen wollen,
z. B. was die Racenbezeichnung betrifft. Die Gesichtsfarbe des sog.
Massinissa ist nur wenig dunkler als die des Scipio, und die der
Sophoniba, die doch dem Römer gegenüber auch als Orientalin
charakterisiert sein sollte, gradezu weiss. Dagegen hätte ein Künstler,
welcher die ethnographischen Unterschiede der Hautfarbe angab, dem
übrigen Costüm und der ganzen Scenerie schwerlich diesen neutralen,
ideal griechischen Stempel aufgeprägt. Man könnte sogar bestreiten,
dass überhaupt ein historischer Gegenstand dargestellt sei. Die Kopf-
tücher wenigstens der zwei gepaarten Figuren sind nach ihrer Breite
und Unregelmässigkeit sehr zweifelhafte Königsbinden l. Aber wenn
auch manche Eigentümlichkeiten in Ausdruck und Geberde, nament-
lich die Handbewegung und die mutmassliche Stellung des sog.
Massinissa eher einen dramatischen Vorgang vermuten lassen, so
bietet doch gerade die gewöhnliche Erklärung noch zu viele Auf-
fälligkeiten dar, um sich mit ihr zu beruhigen.

Was ist nach alle dem das Resultat? — Wir wollen die
Schwierigkeit der von Livius mehr oder weniger dementierten Kahl-
heit nicht als ein positives Hindernis der Scipiobedeutung unserer
Büsten betrachten, sondern zugeben, dass der Basaltkopf Rospigliosi,
weil zu Liternum gefunden, den Scipio darstellen kann, dass die
Inschrift der capitolinischen Büste, obgleich bis auf Visconti unbe-
kannt, dennoch echt sein, dass Scipio wirklich das Merkmal einer
Stirnwunde getragen haben kann, dass endlich sowohl die Münze des
Blasio als das pompejanische Gemälde sein Bildnis zeigen können:
in der That eine stattliche Reihe von Empfehlungsgründen für ein
republikanisches Bildnis. Aber wohlverstanden, um etwas Anderes
als um Möglichkeiten handelt es sich nirgends. Und auf solche,
auch auf eine noch so grosse Anzahl, lässt sich nur wieder eine
Möglichkeit bauen. Man mag daher einstweilen an der Benennung
Scipio festhalten, nicht sowohl auf Grund der Beweisführung
Viscontis, als auf Grund dessen, was schon seine Vorgänger bewo-
gen hat, dieselbe zu adoptieren. Aber man wird sich gestehen

1 Doch wohl beidemal weiss. Bei Heibig Wandgem. wird der Sophoniba
eine rosarote Binde gegeben.
 
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