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Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 1): Die Bildnisse berühmter Römer — Stuttgart, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.662#0203

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M. Brutus. 191

so hat man eine Basis, auf der sich allerdings wohl eine bestimmte
Entscheidung treffen lässt. Auf sie gestützt, kann man entweder
vollkommen in Abrede stellen, dass jetzt noch Brutusbüsten vor-
handen seien, oder man kann doch die Möglichkeiten bestimmter
umgrenzen und beschränken. In beiden Fällen ist immer schon ein
Fortschritt über das absolute Nichtswissen gemacht. Uebrigens hat
von jeher bei der Bestimmung der Brutusbüsten auch noch ein an-
derer Factor mitgesprochen, nämlich die Physiognomik, und die letzte
Entscheidung, wenn man eine solche haben will, wird ihr auch jetzt
noch überlassen bleiben müssen.

Am Allgemeinsten wird auf Brutus bezogen eine Marmorbüste
des capitolinischen Museums, im Zimmer des sterbenden Fechters
Nr. 9 (abg. Taf. XIX) ', gleich der früher ebenda befindlichen Büste
des altern Brutus (jetzt im Conservatorenpalast) ein interessanter
Charakterkopf, und zwar von guter und lebendiger Arbeit, was bei
jenem weniger der Fall, wahrscheinlich aus dem ersten Jahrhundert
n. Chr. Er ist ziemlich gut erhalten, auf ungebrochenem, nacktem
Bruststück. Abgesehen von einigen Flicken ist nur die Hälfte der
Nase ergänzt. — Kopfform, Profil und Haar, letzteres voll nach der
Stirn laufend und hier in gerader Linie beschnitten, zeigen diejenige
Aehnlichkeit mit den Münzen, welche die Möglichkeit eines Brutus-
bildnisses bedingt. Dazu kommt dann die Magerkeit der Wangen
bei verhältnismässig noch jugendlichem Aussehen (zwischen 30 u. 40),
der düster brütende Blick, der vielleicht den Verschwörer kennzeichnen
soll, und mit dem auch die übrigen Züge im Einklang stehen. Für
die eigentümlich dicken Lippen (obgleich nicht für das Vortreten der
einen über die andere) dürfte man sich wenigstens auf die Goldmünze
des Casca berufen. Indes, auch zugegeben, dass die Büste den haupt-
sächlichsten Postidaten eines Brutus entspricht, und dass bis auf
Weiteres kein Grund vorhanden ist von der Benennung abzugehen,
es wäre Selbsttäuschung, wollte man von Gewissheit sprechen. Ueber
den Mangel des Bartes mag man sich hinwegsetzen; derselbe ist
auch auf den Münzen sehr discret angegeben und gehörte damals
nicht zur physiognomischen Charakteristik, sondern war nur ein zeit-
weiliges Trauerzeichen. Aber die Identität mit den Münzen ist und
bleibt doch zweifelhaft. Brutus hat auf denselben weder den langen
Nasenrücken, noch die eigentümliche Bildung des Mundes (die

1 Bei Visconti Icon. rom. VI. 2. 3; Bouillon II; Righetti Campid. I. 7; vgl.
E. Braun Ruinen und Museen Roms, p. 209.
 
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