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Bernoulli, Johann Jacob
Römische Ikonographie (Band 1): Die Bildnisse berühmter Römer — Stuttgart, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.662#0272

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260 M. Agrippa.

einem Augustus «von mehr als natürlicher Grösse> im Palazzo
Grimani zusammengestellt (Thiersch). Aber ein ausdrückliches und
zuverlässiges Zeugnis über ihre Herkunft und über die Zusammen-
gehörigkeit der beiden Statuen giebt es nicht. Und auf die angeb-
liche Congruenz der Plinthe mit der noch im Pantheon an Ort und
Stelle befindlichen Basis' ist um so weniger zu geben, als weder das
Altertum der Plinthe noch der genaue Aufstellungsort im Pantheon
über alle Zweifel erhaben sind. Die Masse der c. 11 M. hohen
Nischen in der Vorhalle des Pantheon lassen Statuen voraussetzen,
die noch um ein Beträchtliches colossaler waren als die unsrige.
Zudem haben wir einen doppelten Fingerzeig, dass auch das Motiv
derselben ein anderes war. Wenn Dio's Angabe, dass Agrippa selber
die Standbilder im Pantheon gesetzt habe, wahr ist, so konnte es
sich um keine vergötterten Darstellungen, also um keine Statuen in
heroischer Nacktheit handeln. Und dann wissen wir, dass die des
Augustus einen Speer trug2, was fast notwendig an eine militärische
Auffassung, d. h. an eine Bekleidung mit dem Panzer denken lässt.
In diesem Fall war aber gewiss auch der Agrippa eine Panzer-
figur3.

Die venezianische Statue scheint daher trotz der kategorischen
Behauptungen von Cavaceppi und Raoul-Rochette mit der ehemals
im Pantheon aufgestellten nichts zu thun zu haben. Wo sie her-
stammt, wissen wir einfach nicht. Will man sich auf Vermutungen
einlassen, so ist unseres Erachtens die von Visconti, der sie aus
Griechenland herleitete, bei weitem die wahrscheinlichste. Die breite
und grossartige Ausführung weist auf eine verhältnismässig frühe
und wohl auf augusteische Entstehungszeit. Damals gehörten nackte
Porträtdarstellungen noch zu den Seltenheiten in Born, während sie
bei den Griechen sich längst eingebürgert hatten. Venedig stand
aber mit Griechenland und dem Orient Jahrhunderte lang in engster
Verbindung. «Ueberall begegnet dem Suchenden in Venedig Grie-
chisches4.» Brauchte man sich zu wundern, wenn auch von Lesbos
oder von dem verhältnismässig nahegelegenen Kerkyra, wo erwiesener-

1 "Vgl. die Behauptungen Cavaceppi's bei Cicognora in der Sammelschrift
Di un busto col. di Mecenate. Par. 1837. p. 45.

2 Dio LIV. 1.

3 Die Spur der Pantheonstatuen möchte vielmehr in jenem Stück eines
bronzenen Agrippakopfs zu finden sein, der unter Eugen IV. bei der Botonde
zum Vorschein kam, und von dem Vacca meint, man werde ihn eingeschmolzen
haben (Flaminio Vacca Memorie Nr. 35, bei Fea Miscell. p. 70). Die Notiz Dio's
von dem Blitzstrahl deutet ja in der That auf Bronze.

4 0. Müller Hdb. p. 348.
 
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