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436

eine nette, kleine Villa, die in bequemer Entfer-
nung von der Stadt lag, zurückgezogen — hin-
einkam, besuchte er den Besitzer des Hotel de Fri-
bourg.
Seine Praxis hatte er jetzt gänzlich aufge-
gegeben.
Obschon Leute, welche die Verhältnisse genau
kannten, erklärten, er brauche aus seiner Wissen-
schaft keinen Erwerb mehr zu machen, fo weilte
er doch noch immer gern auf dem Schauplatz sei-
nes Ruhmes und an dem Ort, wo er sich Reich-
thum und Unabhängigkeit erworben. Wahr-
scheinlich konnte er sich auch nicht von den Er-
innerungen trennen, welche die Nebenbuhlerschaft
zwischen ihm und den anderen sogenannten eng-
lischen Aerzten fortwährend hervorrief.
Demgemäß besuchte er vorzugsweise die Ho-
tels, in welchen dis englischen Badegäste zu lo-
giren pflegten.
Den ersten Rang unter diesen Gasthäusern
behauptete das Hotel de Fribourg, in welchem,
wie der Leser sich entsinnen wird, auch Mr. John
Dcvereux bei der denkwürdigen Gelegenheit wohnte,
wo Lady Mildred ihn besuchte.
Diesem Hotel und seiner Praxis in demselben
hatte Doktor Wangler seinen jetzigen Reichthum
hauptsächlich zu danken und deshalb bewahrte er
ihm treue Anhänglichkeit.
Er rauchte mit dem jetzigen neuen Wirth des
Hotels eine Cigarre und plauderte mit ihm über
Neuigkeiten und neu eingetroffene Gäste.
Ganz natürlich erkundigte der Doktor sich vor-
zugsweise nach den neu angekommenen Englän-
dern und wünschte zu wissen, ob dieselben ge-
sund, reich und dumm wären.
Der Wirth entgegnete, daß von diesen Ka-
tegorieen mehrere da seien und erwähnte, daß
Doktor Schlumberger, welcher jetzt das Feld so
ziemlich für sich allein hatte, ein famoses Geschäft
mache.
Doktor Wangler bedauerte, als er dies hörte,
daß er sich von dem Felde der praktischen Thä-
tigkeit, auf welchem auch er so glänzende Erfolge
errungen, fast ganz zurückgezogen hatte.
Wir hörten einmal von einem wohlbekannten
Fleischer aus dem Westend von London, der sich
in der Vorstadt einen fürstlichen Palast baute und
sich in denselben zurückzog. Es dauerte jedoch
nicht lange, so ward er seiner Zurückgezogenheit
überdrüssig. Er seufzte nach seinem Hackeklotz und
seinem Beil, seine Seele sehnte sich nach dem
Schauplatz seiner früheren Heldenthaten und er
kehrte dahin zurück, um wieder Coteletts und Beef-
steaks zu hacken.
Man darf sich daher über Doktor Wangler's
Schwäche auch nicht wundern.
Von allen Gegenständen, welche der Hotel-
besitzer berührte, ward das Interesse des Arztes
am meisten durch den Einfall zweier lächerlicher
Engländer erweckt, die sich damals in Baden-Ba-
den aushielten und einen andern Engländer such-
ten, welcher vor ungefähr drei Jahren in dem-
selben Hotel gewohnt hatte oder gewohnt haben
sollte.
Als der Doktor dies hörte, stutzte er.
Wenn er einen Augenblick vorher mit Sehn-
sucht an seine frühere Stellung zurückgedacht und
die niedliche kleine Villa, in welcher er jetzt in
verhältnißmäßiger Unthätigkeit lebte, nicht mehr
so schön gefunden hatte, wie anfangs, so erschrak
er doch jetzt bei dem Gedanken an die bloße Mög-
lichkeit, daß dieses Besitzthum ihm wieder entrissen
werden könnte.
Der größte Theil der Summe, wofür er seine
Villa gekauft, war ihm durch das reichliche Jahrgeld
gewährt worden, welches ihm eine vornehme Dame
in England bezahlte, und oft schon hatte er mit
Schaudern daran gedacht, daß ihm dieses Besitz-
thum wieder entrissen werden könnte.
„Diese Herren können nicht richtig bei Ver-

stände sein, meinen Sie nicht auch, Doktor?" fragte
der Hotelwirth.
Auf dem Kontinente werden viele Engländer
für wahnsinnig gehalten. Der Todtengräber in
„Hamlet" sagt, alle Engländer seien verrückt.
Die Meinung des Hotelwirths hatte daher
durchaus nichts Neues oder Auffälliges.
Gleichwohl schien sie Doktor Wangler sehr
stutzig zu machen.
Sein Gesicht war purpurroth und seine Kinn-
lade siel herab, als ob er gezwungen worden
wäre, eins von seinen Recepten an sich selbst zu
erproben.
„Wer soll nicht bei Verstände sein? — Wen
meinen Sie?" keuchte er.
„Nun," entgegnete der Gefragte, „wen soll
ich anders meinen, als die beiden Engländer,
welche ihren Landsmann hier suchen, weil er vor
drei Jahren einmal hier gewohnt hat."
Doktor Wangler faßte sich wieder.
„Ach ja, ganz recht, ja — die beiden Eng-
länder — ja, sehr richtig!"
„Nun, wen glaubten Sie denn, daß ich
meinte?" hob der Hotelwirth lachend wieder an.
„Doch nicht den Mann, den sie suchen?"
Dies war ein unglücklicher Einfall.
Der Doktor lachte laut und geräuschvoll, wie
um den Gedanken zu übertäuben, den seine zu-
fällige Bemerkung vielleicht erweckte.
Trotzdem aber schien der Hotelwirth von seinen
eigenen Worten betroffen gemacht zu werden.
„Die Idee ist keine schlechte, Doktor," sagte
er. „Ich werde die Herren darauf aufmerksam
machen."
„Worauf wollen Sie sie aufmerksam machen?"
rief der Doktor.
„Nun, der Gesuchte steckt vielleicht in einer
Irrenanstalt, oder in einem Gefängnisse, oder—"
Doktor Wangler glaubte, er müsse ohnmächtig
werden.
Als er diese unangenehme Empfindung durch
eine mächtige Willensanstrengung überwunden,
folgte auf dieselbe ein noch viel stärkeres Gelüst,
den Hotelwirth zu erwürgen.
Auch diesen mörderischen Gedanken unterdrückte
er jedoch und fragte dann in so gleichgiltigem
Tone, als nur möglich, nach dem Namen des
Mannes, den diese verrückten Engländer suchten.
Der Doktor konnte in Allem, was Vorsicht
betraf, zum Muster dienen und hatte daher einen
ganz vortrefflichen Grund zu seiner Frage.
„Sie können sich denken," sagte er, „daß ich
im Laufe meiner langen Praxis fast alle Eng-
länder von einiger Bedeutung, die sich hier auf-
gehalten, kennen gelernt habe."
„Der Name des Gesuchten ist Devereux," ant-
wortete der Hotelwirth.
„Ha!"
Und wenn es ihm das Leben gerostet hätte,
so wäre Doktor Wangler nicht im Stande ge-
wesen, diesen Aufschrei zu unterdrücken.
„Sind Sie nicht wohl, Doktor?" fragte der
Hotelwirth besorgt.
„O ja, ganz wohl, ganz wohl, oder vielmehr
nicht ganz. Das uuthätige Leben, welches ich
jetzt führe, hat nach der großen Thätigkeit, an
welche ich von jeher gewöhnt gewesen bin, meine
Korpulenz noch vermehrt und ich glaube, es bildet
sich bei mir ein Herzleiden aus."
Es lag zu dieser wortreichen Auseinander-
setzung kein Grund vor, Doktor Wangler ward
aber sehr verwirrt und verlegen.
Der Hotelwirth gehörte zu jener Klasse von
Menschen, welche niemals zugeben, daß ihnen
irgend etwas unbekannt und fremd sei. Dem-
gemäß machte er ein gelehrtes Gesicht und sagte
in ernstem, bedächtigem Tone: „Ja, ja."
„Es sind excentrische Menschen, diese Eng-
länder," hob der Doktor nach einer Weile in!
möglichst gleichgiltigem Tone wieder an. !

„Excentrisch, sagen Sie?" wiederholte der
Hotelwirth mit einem tüchtigen Fluche. „Ver-
rückt sind die Kerls, sage ich Ihnen, rund und
rein verrückt!"
(Fortsetzung folgt.)

Gemeinnütziges.
* Mittel gegen Druckschäden bei Pferden.
In neuerer Zeit kam die Empfehlung, gebrannten Kaffee
gepulvert auf Druckwunden zu streuen, von Amerika her-
über. Es wird darüber der N. Fr. Presse aus Thorn ge-
schrieben: Die Wunde wurde zuerst durch einen weichen
Schwamm mit lauwarmem Wasser und etwas weißer Seife
gut ausgewaschen, mit reinem Wasser gut ausgespült und dann
mit reiner, weißer alter und weicher Leinwand bestmöglich
getrocknet. Hierauf bestreut man die Wunde — etwas dick
— mit vegetabilischer Kohle und überbindet sie mit baum-
wollener ungelcimter Watte. Dieses Verfahren, sowohl das
Auswaschen wie das Bestreuen mit frischer Kohle, wird alle
24 Stunden, am besten zur Nachtzeit, wiederholt. Die Kohle,
von Kiefern-, Fichten-, Tannen-, am besten von Lindenholz,
wird geglüht, von der Asche befreit, gestoßen und fein ge-
siebt und dann in verkorkten Flaschen vorräthig gehalten.
Bekanntlich absorbirt sie faule animalische Stosse, was man-
chem Freunde von wild gewordenem Braten bekannt sein
mag. Eine Hauptsache hiebei ist: man vergesse nicht, daß
das Thier bis zur erfolgten Heilung Patient ist, es muß
liebend behandelt und geschont werden.

Aharadr.
Sobald Du nur zählen und schreiben lernst,
Lernst Du auch die Erste kennen,
Und ehe Du noch über Zehn Dich entfernst.
Mußt Du auch das Wörtchen schon nennen.
Die Zweite erbaut Dir ein schattendes Dach,
Aus Wipfeln, die leise sich neigen,
Dort rauscht durch die Schlucht manch lebendiger Bach
Es singt und es klingt in den Zweigen.
Die Dritte und Vierte reißt gern sich los,
Zu fliehn aus der dumpfigen Schwüle
Beklemmender Straßen auf's schwellende Moos
In des Zweiten balsamischer Kühle.
Oft trifft man die Fünfte im Zweiten zugleich,
Die Welle rollt warm an's Gestade,
Das silberklare, krystallene Reich
Es lockt Dich zum stärkenden Bade.
Das Ganze liegt in dem Herz der Schweiz,
Von riesigen Bergen umschlossen,
Kein Fremder besucht es, der nicht seinen Reiz
Mit freudigen Sinnen genossen. A. P.
Auflösung folgt in Nr. 32.

Wlder-MUel,


Auflösung folgt in Nr. 32.

Nriefkasten.
* Hausfrau in W. Sie haben die wollenen Gegen-
stände wahrscheinlich mit der Seife selbst in Berührung ge-
bracht, wodurch sie zusammenlaufen. Wenn Sie solche in
lauwarmem Seifenwasser auswaschcn, vermeiden Sie den
Uebelstand.
* Abonnent inThonberg beiLcipzig. Gegen
Bandwurm. Kaufen Sie in einer zuverläßigen Apo-
theke 4 Loth Kousso. Fasten Sic Abends und nehmen Sie
früh im Bett alle ür Stunden je ein Drittthcil des Mittels
in Pfeffermünzthee. 1 Stunde nach der letzten Portion
2 Eßlöffel Ricinusöl. (Uebrigcus wohnt in Ihrer Nähe
eine Autorität für Abtreiben von Bandwürmern: Herr
Mcdicinalrath vr. Küchenmeister in Dresden.) vr. E.

Redaktion von Adolf Palm.
Druck und Verlag von Hermann Schönleiu.
 
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