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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0047

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II. Polygnotos und seine Zeitgenossen.

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merkt hat, haben wir hier nicht an den Jagdgenossen des Meleager zu denken,
sondern an den Herrscher von Samos, Sohn des Poseidon und der Astypalaea,
an welchem sich die sprüchwörtlich gewordene Warnung erfüllte:
noWd ßETa^v nehst. xuXtxog xai yeiktoc, axpou.
Denn als er schon den Becher mit dem Weine, dessen Genuss ihm nach
einer Weissagung nicht sollte zu Theil werden, an die Lippen gesetzt hatte,
kam die Botschaft, dass ein mächtiger Eber die Aecker verwüste; er zog ihm
entgegen und fiel auf der Jagd. — Das zweite Bild umfasste eine Darstellung
von sechs Figuren: „Priamus, Helena, Credulitas, Ulixes, Deiphobus, Dolus";
stellte also, wie Jahn (Arch. Zeit. 1847, S. 127) bemerkt, ein Abenteuer des
Odysseus aus der letzten Zeit der Belagerung Troja's dar, nachdem Paris ge-
fallen und Helena mit Deiphobus vermählt war; wahrscheinlich wie Odysseus
als Bettler verkleidet sich in die Stadt einschlich und mit Helena den Plan zur
Eroberung der Stadt verabredete (Welcker gr. Trag. S. 94-8 fg.). Auffallend kann
es sein, dass Plinius dieses Bild von sechs Figuren eine numerosa tabula nennt.
Die Erklärung dafür werden wir in einer schon unter Myron angeführten Stelle
des Quintilian (V, 10) zu suchen haben: vulgoque (inter opiflees) paullo nume-
rosius opus dicitur argumentosum. Denn trotz der geringen Zahl der Personen 54
bietet ihre Zusammenstellung eine unerwartete Fülle von künstlerischen Motiven,
den Trug des Odysseus, die Leichtgläubigkeit des Priamos, die Verstellung der
Helena, Motive, welche ein tiefes Verständniss des psychologischen Ausdruckes
voraussetzen. Ein ähnliches psychologisches Interesse, welches auch dem Bilde
des Ankaeos nicht fremd sein mochte, wird nun Aristophon auch einem dritten
Werke verliehen haben: dem Bilde des Philoktetes: Plut. de aud. poet. p. 18G;
quaest. conv. V, 1, p. 674 A. Man könnte versucht sein, eine Beschreibung des
jüngeren Philostratus (18) auf dieses Gemälde zu beziehen, wenn nicht Parrha-
sios denselben Gegenstand behandelt hätte und zwar, wie es scheint, in einer
jener Beschreibung durchaus entsprechenden Weise. — Ausserdem bleiben noch
jene beiden Gemälde zu erwähnen, welche Satyrus bei Athenaeus (XII, 534D)
dem Aglaophon zuschreibt, während Plutarch (Alcib. 16) wenigstens eines der-
selben als Werk des Aristophon anführt: Alkibiades von Olympias und Pythias
gekrönt; und Alkibiades, schöner von Gesicht als die Frauen, auf den Knien
der Nemea sitzend und in ihren Armen ruhend. — Blicken wir namentlich auf
die drei ersten Gemälde, so mögen wir einen Einfluss des Polygnot auf seinen
Bruder gern darin zugeben, dass auch dieser noch vorzugsweise sein Augen-
merk auf eine bedeutungsvolle geistige Charakteristik lenkte. Aber ein höchst
wesentlicher Unterschied zeigt sich schon äusserlich in dem Umfange der Werke
beider Brüder. Bei Aristophon erscheint als selbständiges Bild, was bei Polygnot
meist nur den Werth einer Episode gehabt haben würde. Die Werke des Ari-
stophon sind Staffeleibilder, wie sie erst im Anfange der nächsten Periode eine
überwiegende Geltung gewinnen. Dass aber die ganze Behandlung solcher Ge-
mälde wesentlich verschieden sein musste von der jener grossen und umfang-
reichen, zum Schmucke von Tempeln und Hallen bestimmten Schöpfungen,
leuchtet theils an sich ein, theils wird es durch spätere Erörterungen in ein
noch helleres Licht gesetzt werden.

Ein Landsmann des Aristophon war:
 
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