Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0060

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
50

Die Maler.

findet. Auf die Farben nahm er nur in soweit Rücksicht, als sie als etwas dem
Stoffe Inwohnendes betrachtet werden können. Freilich bedarf jede Farbe des
Lichtes, um nur zur Erscheinung zu kommen. Allein wir unterscheiden zwi-
schen der einheitlichen Grundfarbe des Stoffes unter der Wirkung des Lichtes
überhaupt (der Localfarbe), und zwischen den Veränderungen, welche dieselbe
durch die grössere oder geringere Menge des auf sie wirkenden Lichtes, so wie
durch den Wechsel der Beleuchtung erleidet. Erst die Berücksichtigung dieser
Veränderungen bewirkt in der Kunst die Illusion; und darauf, dass Apollodor
das Streben nach ihr zu einer Hauptaufgabe der Malerei erhob, beruht sowohl
seine hervortretendste Eigenthümlichkeit als seine besondere Stellung in der
Kunstgeschichte; ja wenn wir uns der Schlusserörterung über Polygnot erin-
nern, so können wir sogar in gewissem Sinne Apollodor den ersten eigentlichen
„Maler'1 nennen.

Den Anstoss zu diesem Umschwünge mochte allerdings, wie Müller *) bemerkt,
die Ausbildung der Skenographie gegeben haben; und daraus erklärt sich, wie
man dieselbe als mit der Skiagraphie identisch hinstellen konnte; vgl. Hesychius
s. v. av.iä . . . öv.iayQacpiav, r/)v oy.rjvoypacpiav ovrto XiyovaiV sleysto 8e rtg y.al
'Atio1Xü8(oqo£ £w;'pa<j>og oziaj'patjpog ävri tov ay.i]voyQdqiüc;. Eine noch concre-
tere Vorstellung von dieser Verwandtschaft würden wir gewinnen, wenn wir die
Beschreibung eines Gemäldes bei dem älteren Philostratuss) mit der von Pli-
nius erwähnten Darstellung des" Aiax von Apollodor in eine bestimmte Verbin-
dung bringen dürften, wie es nach Welcker's Vermuthung geschehen muss.
Nur kann allerdings die Bezeichnung Aiax fulmine incensus etwas zu knapp
und gesucht erscheinen für einen Aiax, dessen Schiff vom Blitze getroffen ist,
und der nun schiffbrüchig gegen Felsen geschleudert den Göttern noch trotzen
will, während Poseidon, sie zu rächen, heraneilt. Dagegen würde die ganze
scenische Anordnung, das aufgeregte Meer, die von der Brandung ausgehöhlten
Felsen, das brennende Schiff die beste Gewähr für die ursprüngliche Verwandt-
schaft der Skenographie und der Skiagraphie darbieten. Wie dem aber auch
74 sei, so dürfen wir doch nicht übersehen, dass sich beide Gattungen in ihrer
Entwickelung bald von einander trennen mussten. Denn sobald erst die in der
Skenographie aufgestellten Principien ihre Anwendung auf die Figurenmalerei
im allgemeinen gefunden hatten, musste sich das Hauptaugenmerk wieder auf
die Figuren selbst zurücklenken. An diesen aber erheischte die Durchführung
dieser Principien eine weit grössere Sorgfalt, als an den mehr massenhaften
scenischen Darstellungen. So ergab sich zum Behuf dieser gründlicheren Durch-
bildung eine Beschränkung auf geringere Dimensionen und einen geringeren
Umfang der Compositionen wie mit einer inneren Nothwendigkeit; und dem-
gemäss erlangt erst jetzt das Malen von Staffeleibildern,, in denen erst durch die
Möglichkeit eines mehrmaligen Uebergehens mit der Farbe die Mittel zu jener
Durchführung aller Einzelnheiten geboten werden, ein entschiedenes Ueber-
gewicht über die Wandmalerei.

Apollodor also war der eigentliche Begründer einer durchaus neuen,
durch malerische Mittel auf Illusion hinarbeitenden Kunstrichtung; und als

■■) ETändb. § 136. 2) II, 13.
 
Annotationen